Durch den Roman „Das Jahr des Hasen“ von Schriftsteller Arto Paasilinna entdeckte Alexander Richter seine Liebe zu Finnland. Später bemerkte er, dass seine Heimatstadt Potsdam eine Städtepartnerschaft mit der Stadt Jyväskylä pflegt. Seit ein paar Jahren engagiert sich Alexander alias „Suomi Alex“ fleißig für den deutsch-finnischen Kulturaustausch und die Städtepartnerschaft Potsdam – Jyväskylä, organisiert Finnlandevents und regelmäßig Bürgerreisen von Potsdam nach Jyväskylä. Im Interview plaudert der Naturliebhaber über seine Finnlandpassion und sein deutsch-finnisches Ehrenamt für den „Freundeskreis Potsdam – Jyväskylä“.
Die Städtepartnerschaft Potsdam – Jyväskylä: Alexander Richter und sein Engagement für den deutsch-finnischen Kulturaustausch
Finntastic:
Hei Alex, tosi kiva, että sinulla on aikaa jutella suomen kulttuurista! Super, dass Du Zeit hast ein wenig über den deutsch-finnischen Kulturaustausch und Dein Finnland Engagement zu plaudern! Erzähl uns ein wenig über Dich. Wie entstand Deine Finnlandleidenschaft?
Suomi Alex:
Gerne! Kiitos kutsusta haastatteluun! Angefangen hat alles Anfang der 2000er-Jahre. Damals entdeckte ich in unserer Tageszeitung eine Werbeanzeige zum Buch „Das Jahr des Hasen“ vom finnischen Schriftsteller Arto Paasilinna. Meine damalige Frau sagte immer „Hase“ zu mir. Und da dachte ich mir „Mensch, das ist ja ein Buch über mich! Das klingt lustig. Das muss ich lesen!“
Und ich hab’s nicht bereut! Paasilinnas Art zu schreiben hat mich sofort in den Bann gezogen. Wie er in seinen Büchern Finnland, die finnische Lebensart und Mentalität ins Detail beschreibt. Auch sein schräger Humor hat mir gefallen! Als ich alle seine Bücher gelesen hatte, habe ich mich weiteren finnischen Autoren zugewandt, zum Beispiel Leena Lehtolainen oder Taavi Soininvaara, die aber mehr aus der Krimisparte stammen, sowie Katja Kettu, Miika Nousiainen und einigen anderen.
Schließlich schenkte mir meine frühere Frau eine Reise übers Wochenende nach Helsinki. Ab da, würde ich sagen, war es um mich geschehen! Ich habe mich buchstäblich in das Land, die Kultur und Sprache verliebt. Und dann stellte ich fest: Die Partnerstadt meiner Heimatstadt Potsdam ist Jyväskylä, ein finnisches Studentenstädtchen in Mittelfinnland. Im Rahmen dieser Städtepartnerschaft fanden in meiner Nähe sogar regelmäßig Events mit finnischen Künstlern und Autoren statt. Die habe ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Und irgendwann habe ich mich selbst im Rahmen der Städtepartnerschaft engagiert.
Finntastic:
Wow, beeindruckend. Über Dein Ehrenamt musst Du uns gleich noch mehr erzählen. Aber zunächst interessiert uns: Wie oft warst Du bereits im Land der tausend Seen unterwegs? Und hast Du ein paar Reisetipps für uns?
Suomi Alex:
Auch wenn ich bereits mehrfach in Helsinki war und durch unsere Städtepartnerschaft auch oft Jyväskylä besucht habe, so sind Reisetipps für mich ein wenig schwierig, denn ganz Finnland mit seinen tatsächlich fast 188.000 Seen habe ich noch nicht bereist. Da gibt es schon noch ein paar weiße Flecken auf der Landkarte.
Natürlich waren wir auf unseren Bürgerreisen, die ich im Rahmen der Städtepartnerschaft organisiere, bislang nicht nur in Helsinki und in Jyväskylä unterwegs, sondern auch schon an anderen schönen Orten, zum Beispiel in Naaranlahti. Dort auf einer Halbinsel im Saimaa-Seengebiet in Ostfinnland gibt es ein Lomakylä, ein Feriendorf mit typisch finnischen Mökkis – also einfachen, aber gemütlichen Hütten mit eigener Sauna. Wir waren aber auch schon in Vesilahti, südlich von Tampere und in Lempäälä. Darüber hat Tine vom Finnland-Blog Finnweh einen echt schönen Reisebericht geschrieben. Das dortige Café Siiri ist echt putzig und total gemütlich. Es gibt finnische Hausmannskost und herrlichen Kuchen.
Damals habe ich versucht, der Reisegruppe die Geschichte zu verkaufen, dass Apple dort ein Café eröffnet hat, das Siiri heißt, wie diese Apple Spracherkennung, die du alles fragen kannst, wenn du auf den Knopf drückst. Das hat natürlich nicht funktioniert und zu viel Gelächter geführt. Aber das ist auf jeden Fall ein Ort, den ich unbedingt noch einmal besuchen möchte.
Finntastic:
Und hast Du auch einen Lieblingsort in der finnischen Hauptstadt?
Suomi Alex:
Na klar! In Helsinki ist mein absoluter Lieblingsort der Raum der Stille. Eine eiförmige Kappelle ganz aus Holz direkt auf dem Vorplatz vom Kamppi Shoppingcenter. Du befindest dich mitten im Zentrum der finnischen Landeshauptstadt, um dich herum ist mega Trubel, und dann betrittst du diesen Raum und plötzlich ist es mucksmäuschenstill.
Spannend ist es, die Leute zu beobachten, die rein- und rausgehen, sich hinsetzen. Zunächst raschelt es noch. Die Leute flüstern und dann herrscht urplötzlich absolute Stille. Manchmal schaut jemand ein wenig verstohlen nach links und rechts. Keiner traut sich so recht, sich zu bewegen oder etwas zu sagen, weil er eben diese absolute Stille nicht stören will. Das finde ich faszinierend.
Natürlich habe ich noch weitere Lieblingsorte in Helsinki wie die Freilicht-Halbinsel Seurasaari oder Pihjalasaari, diese wunderschöne Badeinsel vor der Küste Helsinkis. Die Stadt Porvoo, mit ihren alten Holzhäusern ganz in der Nähe von Helsinki hat mir auch richtig gut gefallen. Leider hatte ich zu wenig Zeit, um mir alles in Ruhe anzusehen. Da muss ich auf jeden Fall noch einmal hinfahren.
Finntastic:
Und was gefällt Dir an Potsdams Partnerstadt Jyväskylä und der Region?
Suomi Alex:
Um ehrlich zu sein: Jyväskylä wirkt auf den ersten Blick extrem modern und so mancher Besucher denkt vermutlich: „Eine typisch, finnische Stadt habe ich mir ein wenig anders vorgestellt.“ Aber wenn du Jyväskylä mehrfach besucht und die Stadt richtig kennengelernt hast, merkst du, was sie für einen Charme besitzt und was sie alles Tolles zu bieten hat.
Jyväskylä ist nämlich keinesfalls langweilig, sondern eine moderne und quirlige Studentenstadt. Das Stadtzentrum ist sehr klein, du erreichst alles fußläufig und es gibt tolle Einkaufsmöglichkeiten, schöne Restaurants und urige Kneipen. Du bist ist sehr schnell am Wasser, am Jyväsjärvi. Und das Schöne: Im Gegensatz Potsdam, wo am Ufer sehr viel verbaut und im Privatbesitz ist, sind in Jyväskylä die Wege am Wasser frei. Du kannst einmal ganz um den Jyväsjärvi herum joggen. Die Stadt und die Umgebung sind außerdem sehr Grün. Es gibt viel Wald und viele schöne Plätze mitten in der Stadt, wo du dich hinsetzen, dich ausruhen und die Natur um dich herum genießen kannst.
Für mich persönlich hat Jyväskylä sehr viel Ähnlichkeit mit Potsdam. Denn Potsdam ist eben auch eine Stadt am Wasser, von Seen und Wald umgeben. Wahrscheinlich habe ich mich deshalb auch in Jyväskylä so schnell wohl gefühlt.
Und auch wenn Potsdam im Gegensatz zu Jyväskylä natürlich fast tausend Jahre älter ist, und dementsprechend eine viel ältere Bausubstanz hat: Auch Jyväskylä hat tolle Gebäude. Viele hat Alvar Aalto entworfen. Wenn ihr mehr über den finnischen Architekten erfahren wollt, könnt ihr in Jyväskylä übrigens das Aalto-Museum besuchen. Das hat mir persönlich sehr gut gefallen, da ich mich sehr für moderne Architektur interessiere. Unsere Partnerstadt habe ich mittlerweile sehr ins Herz geschlossen, und immer wenn ich dort bin, denke ich: Ich will hier gar nicht mehr weg!
Das liegt natürlich auch an den Menschen dort. Sie sind sehr offen und gastfreundlich. Dazu möchte ich noch eine kleine Geschichte erzählen: Jedes Mal, wenn ich mit einer Gruppe Jyväskylä besuche, treffen wir uns mit Mitgliedern des Finnisch-Deutschen Vereins in einem Gutshaus in Äijälä, einem Stadtteil von Jyväskylä. Von den Betreibern des Gutes werden wir immer sehr herzlich empfangen und verköstigt. Eeva-Liisa und Hartwig, ein ehemaliger Deutscher, der fast sein ganzes Leben in Finnland verbracht hat, haben dort auch geistig behinderte Menschen aufgenommen und geben ihnen Zuhause und Arbeitsplatz zugleich. Hartwig sagt, für ihn sind sie nicht behindert, sondern nur anders, und aus deren Sicht sind wahrscheinlich wir etwas komisch, weil wir uns anders benehmen als sie. Eine wunderbare Sichtweise, die dort allen ein gleichberechtigtes Zusammenleben und –arbeiten ermöglicht.
Finntastic:
Was möchtest Du in Finnland unbedingt erleben? Und gibt es eine Region von Finnland, die du künftig einmal bereisen möchtest?
Suomi Alex:
Wo ich unbedingt hin möchte ist Lappland! Und das am liebsten im Winter. Ich bin nämlich ein großer Schneeliebhaber. Und was vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wäre: Ich will Eisschwimmen gehen, also direkt aus der Sauna ins Eisloch hüpfen.
Was ich auch sehen will, sind Polarlichter! Und ich möchte unbedingt einmal im Herbst zur Ruska-aika, also zur Zeit des finnischen Indian Summers, nach Finnland reisen, um diese völlig anderen Farben zu sehen. Denn im Winter ist es in Finnland eher weiß, bzw. die Landschaft glänzt so blau-lila im schwachen Licht. Und zur Ruskazeit hast du eben diese beeindruckende, rot-gelb-braune Färbung der Bäume.
Und dann möchte ich die Westküste Finnlands bereisen. Ich bin nämlich auch gerne am Meer. Die Dünen und Sandstrände von Yyteri sollen richtig toll sein! Und auch die Schären, also die Inselwelt vor Turku. Mit meinen Kindern ist natürlich ein Besuch im Muuminmaailma geplant, das ist der große Muminvergnügungspark in Naantali. Und das Inselarchipel der Alandinseln reizt mich auch sehr. Das soll auch noch einmal ganz anders, als der Rest von Finnland sein.
Dann habe ich noch einen ganz besonderen Reisewunsch und zwar möchte ich nach Hanko, auf diese kleine Halbinsel im Südwesten von Finnland. Dort gibt es auch schöne Strände und so tolle alte Holzhäuser, ähnlich wie in Porvoo.
Finntastic:
Was gefällt Dir an der finnischen Mentalität? Kannst Du Gemeinsamkeiten ausmachen?
Suomi Alex:
Auf jeden Fall! Ich habe wohl so einige Gemeinsamkeiten mit den Finnen. Ich suche auch immer wieder die Ruhe. Natürlich freue ich mich, Freunde zu treffen und Events zu besuchen, aber ich muss eben nicht immer so viele Leute um mich haben.
Und ich bin wie die Finnen gerne draußen in der freien Natur. Ich liebe es zu wandern und Sport an der frischen Luft zu machen. Diese Naturverbundenheit und dass die Finnen in und vor allem mit der Natur leben gefällt mir. Und auch, dass sie ihre Produkte und viele Zutaten zum Kochen direkt aus der Natur holen. Diese Bodenständigkeit, also die Tatsache, dass nicht immer alles teuer und vom Feinsten sein muss, sondern man auch mit einfachen Dingen glücklich sein kann, imponiert mir.
Eine finnische Freundin hat mir erzählt: Wenn sie einen Blaubeerkuchen backt, dann geht sie im Spätsommer bzw. im Herbst erst einmal in den Wald, um Beeren für den Kuchen zu sammeln. Sie braucht keine Beeren aus dem Supermarkt! Die Beeren aus dem Wald schmecken ohnehin viel aromatischer! Du kannst in Finnland aufgrund des Jedermannsrechts einfach überall im Wald Pilze und Beeren sammeln und eben auch essen, weil in Finnland die Luft und auch die Böden sehr sauber sind und Finnland auch nicht wie wir, das Problem mit dem Fuchsbandwurm hat.
Sympathisch ist mir auch der positive Nationalstolz der Finnen, den sie ganz offen nach außen tragen und auf den sie zu Recht stolz sein können. Denn bis zur Unabhängigkeit im Jahr 1917, die mit knapp über 100 Jahren noch gar nicht so lange her ist, war es ein steiniger Weg. Davor stand Finnland nämlich stets zwischen den Mächten Schweden und Russland. Ich finde es schön, dass man in Finnland stolz auf seine Nation sein darf. Bei uns ist das aufgrund unserer Vergangenheit immer ein wenig schwierig und man muss differenzieren und sich klar positionieren. Ich glaube, dass wegen all dieser Eigenschaften Finnland auch zum dritten Mal in Folge zum glücklichsten Land der Welt gewählt wurden.
Finntastic:
Glaubst Du, dass wir Deutschen uns einfach ein paar Eigenschaften von den Finnen abgucken können, um glücklicher zu leben?
Suomi Alex:
Ganz ehrlich? Ich glaube, selbst wenn wir Deutschen die gleichen Voraussetzungen wie die Finnen hätten, würden wir trotzdem nicht das glücklichste Land sein, weil wir Glück anders definieren. Finnen sind einfach glücklich, wenn sie ihren Wald, also die Natur vor der Tür haben. Wenn sie im Sommer in ihr einfaches Sommerhäuschen pilgern, dort Boot fahren, angeln, grillen, in die Sauna gehen und einfach zur Ruhe kommen können. Uns Deutschen würde das vermutlich nicht reichen.
Aber ich versuche natürlich, so viel wie möglich für meinen Alltag von den Finnen abzuschauen. Zum Beispiel mir weniger Stress zu machen, in dem ich nicht mehr jeden Morgen um sieben ins Büro hetze. Das geht bei uns am Landgericht Potsdam recht gut, seit die Vertrauensarbeitszeit für Rechtspfleger eingeführt wurde. Ich habe festgestellt, dass ich, auch wenn ich später ins Büro komme, trotzdem genauso viel schaffen kann. Da ich einen kurzen Arbeitsweg habe, kann ich auch mal zwischendurch für die Familie da sein und abends nochmal ins Büro fahren. Aber alles in Ruhe und ohne Hektik. Das ist auch eine Form von Glück, wenn man Arbeit und Familie gut vereinbaren kann.
Und ich packe mir meine Freizeit nicht ständig mit so vielen Events voll. Ich finde es wichtig, auch einmal einfache Dinge zu genießen. Mit meinen Kindern bin ich viel im Wald und in der Natur unterwegs. Wir sammeln Blätter und halten nach Fuchsbauten Ausschau. Das scheint den Kids richtig Spaß zu machen. Gerade hat mich meine Tochter gefragt, wann wir wieder in den Wald gehen! Ich finde es wichtig, Kindern Wissen über die Natur zu vermitteln, so dass sie Bäume, Sträucher, Beeren, Pilze sowie kleine und große Tiere auseinander halten können. So schult man die Kinder auch nicht nur in Hinblick auf die Natur, sondern auch ihr Bewusstsein für die kleinen Dinge am Wegesrand, wie einen Käfer oder einen besonderen Schmetterling.
Finntatic:
Im Gespräch auf der Grünen Woche hast Du mir verraten, dass Finnland auch in Deinem Alltag sehr präsent ist? Wie äußert sich das?
Suomi Alex:
Ja das stimmt. Ursprünglich waren meine damalige Frau und ich eher Fans des Mittelmeerraums und von Mallorca. Mediterran sah auch unser Haus aus: Es gab braune Fliesen, rote und gelbe Wände, eben überall kräftige Farben. Seit meiner ersten Finnlandreise hat sich das komplett geändert. Gemäß dem Credo „Finisize Your Home“ habe ich begonnen das Haus umzudekorieren. Und so hat sich das Innendesign mehr ins Schlichte und Funktionale geändert. Alles ist mehr in Naturfarben gehalten und es steht auch nicht mehr so viel rum. Ich kann also sagen: Der skandinavische Stil hat Einzug gehalten!
Mit dabei ist natürlich viel finnisches Design von Iittala, Aarikka und Pentik. Im Keller habe ich stets finnische Getränke kaltgestellt, also verschiedene Bier-, Wodkasorten und Liköre. Und natürlich habe ich immer Lakritzsüßigkeiten, Fazerschoki oder Schokolade von Panda im Haus. Panda hat den Firmensitz übrigens seit 1920 in unserer Partnerstadt Jyväskylä und ist der zweitgrößte Süßwarenhersteller in Finnland! Meine neueste Errungenschaft ist allerdings aus Dänemark: Ein Beistelltisch von der dänischen Firma Muuto. Der war nicht billig, sieht aber echt super aus! Zumindest leitet sich der Begriff Muuto vom finnischen Wort muutos ab, was so viel heißt wie Veränderung, neue Perspektive.
Und wo sich meine Finnlandleidenschaft auch bemerkbar macht: Mein Sohn heißt Finn. Das ist natürlich kein finnischer Name. Wir konnten uns damals aber nicht auf einen finnischen Namen einigen und so war das ein guter Kompromiss. Und auch in der Namensauswahl meiner kleinen Tochter, die Helena heißt, steckt meine Leidenschaft zu Finnland. Mir schwebte nämlich der Vorname Leena, mit doppelten e vor, weil ich ein großer Fan der finnischen Krimiautorin Leena Lehtolainen bin. Meiner neuen Partnerin gefiel aber der Name Helena besser. Und so haben wir uns auf Helena geeinigt, da steckt „Leena“ ja im Grunde auch drin“. Später habe ich gelesen, dass Helena auch in Finnland ein beliebter Name ist. Also genau die richtige Entscheidung!
Finntastic:
Du hast Dich auf der Grünen Woche genauso wie ich intensiv am Finnlandpavillon umsehen. Welches Produkt hat Dir am besten gefallen?
Suomi Alex:
Erst einmal habe ich mich sehr gefreut, dass es auch auf der Grünen Woche in Berlin wieder so enorm viele Finnlandstände gab, obwohl Finnland dieses Jahr nicht Partnerland ist. Besonders schön war es, auch ein paar bekannte Gesichter aus dem letzten Jahr wiederzusehen, zum Beispiel an den Brauereiständen. Ich bin übrigens ein großer Fan von finnischen Craftbieren. Und auch wenn man es nicht vermutet: In Finnland gibt es wirklich viele tolle Kleinbrauereien, die großartige Biere herstellen. Natürlich habe ich auch dieses Jahr wieder viele finnische Biere verkostet. Auf der Grünen Woche habe ich ein sehr leckeres von Fiskarsin Panimo probiert und ein IPA von Kukko.
Am witzigsten fand ich allerdings den Stand von Party Bugs. Das ist ein finnisches Unternehmen, das diesen schrägen Heuschreckensnack vertreibt, von dem du auch schon berichtet hast. Finnland bringt man nun nicht unbedingt mit Heuschrecken in Verbindung. Das fand ich echt witzig. Der Pasi Porkka ist ein echt schräger Typ. Er holt die Krabbler derzeit in Thailand, schaut nach den besten Sorten und würzt sie dann mit seiner eigenen Würzmischung. Natürlich habe ich sie ausprobiert und hatte auch gar keine Berührungsängste. Ich habe die echt geknuspert, wie eine Tüte Nüsse. Und selbstverständlich habe ich mir auch ein paar Packungen mit nach Hause genommen. Und die sind dann gleich beim nächsten Bierabend mit meinen Kumpels zum Einsatz gekommen.
Finntastic:
Auf der Grünen Woche konnte man auch ganz viele finnische Spezialitäten aus Ostfinnland probieren. Hast Du selbst ein finnisches Lieblingsgericht?
Suomi Alex:
Um ehrlich zu sein: Da gibt es enorm viele tolle Gerichte! Ich mag zum Beispiel karelische Piroggen oder Korvapuustis, also finnische Zimtschnecken. Beides bereite ich auch gerne selber zu, zum Beispiel wenn ich im Rahmen meines Ehrenamts Lesungen und andere Events veranstalte. Das macht ein wenig Arbeit, aber es schmeckt einfach lecker und kommt immer gut an. Mein besonderer Favorit ist allerdings Loimulohi, auf Deutsch Flammlachs. Vor einiger Zeit habe ich mir deshalb ein finnisches Flammlachsgestell mit Brett für den Garten zugelegt. Das nutzte ich ebenfalls für meine Finnland-Events und es kommt auch bei Geburtstagsfeiern zum Einsatz. Gerne lade ich aber auch einfach einmal so Freunde zum Loimulohiessen ein.
An den frischen Lachs zu kommen, ist hier in Potsdam übrigens gar nicht so einfach. Ich muss die Lachshälften immer beim örtlichen Fischhandel vorbestellen, bevor ich sie an die Feuerschale hauen kann. Dafür fahre ich sogar 30 Kilometer, um sie abzuholen. Das ist in Finnland natürlich anders, da gehst Du einfach in den Supermarkt um die Ecke. Zum Flammlachs gibt es bei mir als Beilage meist Gemüse, wie Möhren, Pellkartoffeln und natürlich finnische Preiselbeeren. Was mir an dieser Tradition übrigens so gut gefällt ist nicht nur der Lachs, der natürlich auch gut schmeckt. Sondern auch das Ganze drumherum, dass man zum Beispiel gemeinsam in geselliger Runde draußen um die Feuerschale sitzt. Das ist einfach eine schöne Tradition!
Finntastic:
Kommen wir nun zu Deinem Ehrenamt. Du engagierst Dich seit Langem für die Städtepartnerschaft Potsdam-Jyväskylä. Erzähl uns ein wenig mehr über den Freundeskreis Potsdam-Jyväskylä!
Suomi Alex:
Potsdam hat tatsächlich viele Städtepartnerschaften auf der ganzen Welt. Einige davon haben Partnerschaftsvereine. Unsere Städtepartnerschaft „Potsdam – Jyväskylä“ gibt es schon seit 1985. Sie ist jedoch kein Verein, sondern wird im Grunde nur von einer Person geleitet: Das bin ich. Der „Freundeskreis Potsdam – Jyväskylä“ ist ein großer und lebendiger Interessentenkreis aus ganz vielen Finnlandfreunden in und um Potsdam, die ich regelmäßig über meine Aktivitäten per E-Mail-Verteiler informiere.
Ich organisiere viele schöne Finnlandevents in und um Potsdam und bin da völlig selbstverantwortlich. Allerdings bekomme ich tatkräftige Unterstützung bei all meinen Events von der Stadt Potsdam. Zum Beispiel übernimmt diese bei Lesungen die Raummiete und meist auch das Honorar der Künstler. Bei Lesungen arbeite ich auch eng mit dem Finnlandinstitut in Berlin zusammen. Vor allem zur Buchmesse kommen viele finnische Schriftsteller nach Berlin und ich organisiere die Lesungen in Potsdam.
Und ich habe auch guten Kontakt zur Deutsch-Finnischen Gesellschaft. 2017 haben wir gemeinsam mit dem DFG-Landesverband Berlin-Brandenburg ein wirklich tolles Konzert in Potsdam organisiert. Das Konzert fand in einer echt urigen Studentenkneipe statt. Zu Gast waren zwei Musikerinnen aus Finnland: Riikka Timonen und Senni Eskelinen. Die machen ganz tolle Musik: Eine Mischung aus Gesang und Melodien auf der Kantele. Traditionell und künstlerisch brillant!
Und in Kooperation mit dem Finnlandinstitut in Berlin hatten wir auch schon die finnische Schriftstellerin Katja Kettu zu Gast. Die ist wie auch die Schriftstellerin Sofie Oksanen auch weit über Finnlands Grenzen hinaus bekannt. Dazu kann ich auch eine lustige Geschichte erzählen: Katja Kettu überlegte damals, was sie als Widmung für mich in das Buch schreiben soll. Sie fragte mich, wie ich zu Finnland gefunden habe und da habe ich ihr auch die Story vom „Jahr des Hasen“, erzählt und dass mein Spitzname früher Hase war. Und da hat sie gesagt: Also „Kettu“ heißt Fuchs und ich schreibe Dir jetzt in das Buch: von „Fuchs“ für „Hase“. Das war natürlich echt witzig!
Finntastic:
Und welche Events organisierst du sonst noch?
Suomi Alex:
Neben Lesungen und Konzerten veranstalte ich auch immer jahreszeitliche Events wie eine vorweihnachtliche Pikkujoulufeier, wo es immer kleine finnische Geschenke gibt. Zur Verlosung veranstalte ich meist ein kurzes Quiz. Einmal habe ich das auch schon mit einer finnischen Tradition verknüpft: Und zwar ist es in Finnland an Weihnachten Tradition im Kaurapuuro bzw. Haferbrei eine Mandel zu verstecken. Für die Verlosung habe ich damals Pandapralinen ausgewählt. Eine habe ich ausgewickelt und anstatt der Schokolade eine Mandel reingepackt. Derjenige, der sie gezogen hat, bekam dann ein kleines Finnlandgeschenk, z.B. einen Kerzenleuchter oder Servietten von Aarikka.
Und dann gibt es noch die Rubrik „Finnischer Abend“. Da kann jeder vorbeikommen. Wer Lust hat, bringt etwas Finnisches zu essen oder zu trinken mit und wer möchte kann auch gerne etwas vortragen. Zum finnischen Abend hatte ich auch schon öfters den Schriftsteller Eberhard Apffelstaedt mit seinen lustigen Finnbüchern zu Gast. Als Einstimmung für eine unserer Bürgerreise hat er bei uns auch schon einen tollen Bildervortrag über Finnland gehalten.
Für den Sommer hatte ich bereits ein kleines Mölkky-Turnier in Potsdam geplant. Mölkky ist ein finnisches Outdoorspiel, bei dem Hölzer mit Zahlen umgeworfen werden müssen. Der Gewinner muss genau 50 Punkte erspielen. Wer mehr erreicht, fällt auf 25 zurück. Leider konnte ich wegen der Corona-Situation diese Idee noch nicht umsetzen.
Finntastic:
Interessant! Erzähl uns ein wenig über deine Bürgerreisen. Wie sieht so eine Reise aus?
Suomi Alex:
Bislang habe ich schon drei Bürgerreisen nach Jyväskylä organisiert. 2017 zum Nationalfeiertag und 100. Geburtstag von Finnland kam mir die Idee mit meinem Chor und einem finnischen Kantatenchor in Jyväskylä gemeinsam zu singen. Das hat dann auch geklappt. Wir haben in einer schönen Kirche im Stadtteil Kuokkala gemeinsam gesungen. Ein sehr schönes Konzert, wozu es viel positives Feedback gab.
Im gleichen Jahr habe ich im Herbst eine Bürgerreise mit Potsdamer Bürgern nach Jyväskylä organisiert. Von dort sind wir ausgeschwärmt nach Osten, in Richtung Savonlinna und haben dort in der Nähe in Naaranlahti drei Tage in Hütten gewohnt, die echt sehr spartanisch eingerichtet sind. Ich wollte den Bürgern unbedingt das einfache Leben in Finnland näherbringen. Zunächst hatte ich schon ein wenig Bedenken, weil auch ein paar ältere Leute dabei waren und wir mitten rein in die Natur sind! Der Besitzer vom Hüttendorf hat uns damals auf eine Halbinsel mitgenommen und für alle ein paar Gummistiefel, Eimer und Messer organisiert. Und dann sind wir mit der Truppe durch den Wald gepirscht und haben kiloweise Pilze und Beeren gesammelt. Zurück im Hüttendorf bekamen wir am Abend eine Mahlzeit mit leckerem Fleisch und den selbstgesammelten Pilzen und Beeren. Das war für alle Teilnehmer eine echt schöne Erfahrung.
Die nächste Reise ging dann 2019 über Jyväskykä in Richtung Westküste, über Tampere, Rauma, Turku und dann eben über Helsinki wieder zurück. Im Prinzip wieder ein ähnlicher Aufbau, also Wohnen in Hotels und teilweise wieder in Hütten. Wir haben uns zum Beispiel die Holzkirche in Petäjävesi bei Jyväskylä und später auch Tampere anschaut. Natürlich hat auf den Reisen nicht immer alles so geklappt, wie es geplant war. Wir wollten zum Beispiel auf den Aussichtsturm Näsinneula hochfahren, aber genau an diesem Tag war der Fahrstuhl kaputt. Und so sind wir einfach zum Dom von Tampere gefahren.
Das Schöne bei unseren Busreisen ist, dass wir sie sehr spontan und flexibel gestalten können. Wir sind nicht so festgefahren wie Reisen, die du sonst übers Reisebüro oder den Katalog buchst. Wir haben immer eine finnische Reiseleiterin mit dabei, die aus Jyväskylä kommt und gut Deutsch spricht und die Änderungen im Reiseplan auch mal ruckzuck vor Ort organisiert. Auf der Rückfahrt haben wir zum Beispiel von Tampere aus auf Wunsch noch einen Abstecher nach Lempääle zu dem Siiri-Café gemacht. Viele Teilnehmer haben sich später sogar extra bedankt und gemeint, dass diese drei bis vier Tage echt so erholsam, wie zwei Wochen Urlaub waren.
Finntastic:
Und ist bereits eine neue Bürgerreise nach Jyväskylä bzw. Finnland geplant?
Suomi Alex:
Aber klar! Wir waren ja jetzt ein paar Mal im Sommer da. Im nächsten Jahr habe ich mir deshalb gedacht, soll es eine Winterreise sein. Und damit die Sehnsucht nicht so groß wird, ist die Reise schon für Anfang Februar 2021 geplant. Wir reisen dieses Mal ins südliche Lappland, nach Salla, also ein Stück nördlich von Kuusamo.
Die wichtigsten Daten stehen bereits fest. In Jyväskylä werden wir dieses Mal nur kurz verweilen, weil der Wunsch geäußert wurde, dass wir ein wenig länger in Helsinki bleiben wollen, weil auf den bisherigen Fahrten die Stadt etwas zu kurz kam. In Salla wohnen wir dann wieder in Hütten, die zu einem angeschlossenen Hotelkomplex gehören. Wir werden eine Huskyfarm besuchen und wenn wir Glück haben, hoffentlich auch Polarlichter sehen.
Finntastic:
Kann jeder, der sich für Finnland interessiert bei der Bürgerreise mitfahren?
Suomi Alex:
Na klar, jeder der möchte kann mitfahren. Wir sind ja kein Verein und damit brauchst du auch keine Vereinsmitgliedschaft. Alle Events und eben auch die Reisen sind immer öffentlich. Die Einladung erfolgt meist über mich, in dem ich an alle Informationen schicke, die in meinem E-Mailverteiler sind. Und die Stadt Potsdam unterstützt mich mit kleinen Werbeanzeigen auf den unterschiedlichen Seiten der Stadt. Das letzte Mal haben die Potsdamer Neuesten Nachrichten im Vorfeld der Reise noch ein Interview mit mir gemacht, so kamen noch ein paar weitere Anmeldungen dazu. Aber natürlich kann auch jeder andere, der an Finnland interessiert ist, dazu nähere Informationen erhalten und mitfahren.
Gebucht wird die Reise nämlich nicht über mich, sondern ich arbeite mit der Loma Reiseagentur in Runkel-Dehrn in der Nähe von Frankfurt am Main zusammen. Allerdings muss man beachten, dass die Reise eben von Potsdam losgeht und dass wir nicht fliegen, sondern mit dem Schiff von Travemünde aus nach Helsinki übersetzen. Denn wir haben auf der ganzen Reise unseren eigenen Bus dabei. Mit dabei ist immer unserer sympathische, finnische Reiseleiterin Asta Häkkinen aus Jyväskylä. So lernt du das Land auf alle Fälle viel besser kennen und es gibt auch ein Ritual: Wenn wir das Schiff betreten, erkläre ich den Teilnehmern immer, dass ab jetzt die finnische Zeit gilt und damit die Ruhe beginnt. Ich mag diese entschleunigte Anreise und ich glaube genau das hat auch die Teilnehmer überzeugt!
Finntastic:
In einem Artikel habe ich gelesen, Du und der Oberbürgermeister Mike Schubert hattet im letzten Jahr überlegt am Finlandia Marathon teilzunehmen? Wie kam es dazu und habt ihr das bereits in die Tat umgesetzt?
Suomi Alex:
Das ist eine lustige Geschichte! Der Mike Schubert und ich kennen uns von früher. Und zwar haben wir beide als Kinder in der DDR-Fernsehserie „Spuk im Hochhaus“ mitgespielt. Die Serie läuft immer wieder mal auf MDR und ich glaube, es gibt sie auch auf DVD. Über die Jahre sind wir uns lustigerweise immer wieder über den Weg gelaufen. Schubert war dann auch in der Politik aktiv. Und als Hobbyläufer hat er sich vorgenommen in jeder Partnerstadt von Potsdam einmal einen Lauf mitzumachen. Bei einem Sportevent meinte er dann zu mir: „Du bist doch für die Städtepartnerschaft Potsdam – Jyväskylä zuständig. Gibt es da in Jyväskylä nicht auch einen Lauf?“
Und so habe ich mich für ihn erkundigt und herausgefunden, dass dort jedes Jahr der Finlandia Marathon steigt. Daraufhin kam mir die Idee: Wenn Schubert Oberbürgermeister von Potsdam wird – es standen damals gerade Wahlen an – soll das seine erste Amtsreise in eine Partnerstadt sein. Viele haben mich zunächst belächelt und meinten: „Na klar! Als wenn Du Einfluss darauf hast, dass der Oberbürgermeister seine erste Amtsreise mit Dir nach Jyväskylä macht. Aber wenn ich mir was in den Kopf setze, dann versuche ich das auch umzusetzen. Und so habe ich Mike Schubert von dem Lauf erzählt und er war sofort begeistert und meinte: „Wir machen das!“
Wir sind dann völlig anonym und ohne große Vorankündigung für den zehn Kilometerlauf beim Finnlandia Marathon an den Start gegangen. Das ist eben auch das schöne in Finnland: Es wird kein großes Brimborium gemacht, auch wenn der Oberbürgermeister der Partnerstadt Potsdam mit läuft. Seine Frau war auch mit und wir haben Potsdam-T-shirts getragen. Am Ende waren wir alle glücklich: Ich besonders, weil ich die zehn Kilometer in knapp über einer Stunde geschafft habe. Für einen untrainierter Läufer eine echt gute Zeit! Und natürlich war ich stolz wie Bolle, dass meine Idee geklappt hat!
Natürlich hat der Oberbürgermeister neben diesem inoffiziellen Programmpunkt auch noch ein schönes offizielles Programm gehabt und hat sich mit vielen Leuten aus der Wirtschaft, vom Sport und der Stadt getroffen. Begeistert war er vom Rathaus, dass dort alles so hoch technologisiert ist und die Bürger fast alles online erledigen können. Und worauf ich besonders stolz bin: Der Oberbürgermeister und ich haben der Partnerstadt Jyväskylä als Symbol dafür, dass unsere Städtepartnerschaft Früchte trägt und als Anreiz für mehr schöne gemeinsame Events einen Apfelbaum geschenkt. So hatte der Besuch auf jeden Fall etwas Nachhaltiges und symbolisch auch einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz geleistet.
Finntastic:
Einen Baum als Symbol für die Städtefreundschaft, darüber musst Du uns noch mehr erzählen!
Suomi Alex:
Gerne! Die Idee kam mir spontan, im Vorfeld einer unserer Bürgerreisen. Ich dachte mir, es wäre doch toll, unserer Partnerstadt irgendwas Schönes als Symbol der Freundschaft zu hinterlassen. Und so habe ich mich für einen Apfelbaum entschieden, denn vor Potsdam liegt ein riesiges Obstanbaugebiet. Bei einem Gärtner in Jyväskylä bekam ich den Tipp, dass ich mit dem Weißen Klarapfel nichts falsch machen kann. Der blüht nämlich spät, ist deshalb nicht so frostanfällig und man hat die Chance, dass er auch Früchte trägt. Eine bekannte Baumschule aus der Nähe von Potsdam hat mir übrigens genau den gleichen Tipp gegeben.
Und so habe ich den Baum einen Monat vor der Reise abgeholt und in meinem Garten zwischengelagert. Zum Reiseantritt habe ich dann den Koffer und den fast zwei Meter hohen Baum im Topfballen zum Bus geschleppt. Die Busfahrt hat er im Kofferraum überdauert. In Jyväskylä habe ich ihn dann mit aufs Hotelzimmer genommen und von dort ins Rathaus transportiert, weil wir dort einen Empfang hatten und ich den Baum stellvertretend für den Potsdamer Oberbürgermeister vorab in deren Pflege übergeben sollte.
Der Oberbürgermeister hat dann später gemeinsam mit dem Stadtdirektor Timo Koivisto den Baum eingepflanzt. Im Vorfeld musste ich natürlich auch einen vernünftigen Platz für den Baum finden. Er sollte möglichst irgendwo im Stadtzentrum von Jyväskylä stehen, wo er gesehen wird und alle Leute aus Jyväsklyä hinkommen und sagen können: „Oh ein leckerer Apfel, den ernte ich mal spontan.“ Der Baum hat schließlich einen perfekten Platz im Mäki-Matti-Perhe Puisto erhalten. Das ist ein schöner Familienpark mitten in der Stadt, wo auch andere Apfelbäume stehen. Es wurde extra ein kleines Rasenstück angelegt und auch Hasendraht um den Baum gezogen, damit er nicht abgenagt wird. Ein schönes Edelstahlschild davor beschreibt, dass der Baum ein Geschenk der Partnerstadt Potsdam ist.
Finntastic:
Wie ich sehe interessierst Du Dich sehr für das Thema Nachhaltigkeit. Wie geht Finnland mit diesem Thema oder auch mit dem Klimawandel um? Was können wir von den Finnen lernen? Und was könnten die Finnen verbessern?
Suomi Alex:
Ja, Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle in meinem Alltag. Gerade in Punkto Nachhaltigkeit haben die Finnen die Nase vorn. Im Sommer kaufen die Finnen ihr Gemüse und Obst gerne lokal auf dem Markt. Oder sie sammeln wie bereits erwähnt im Spätsommer und Herbst ihre Beeren und Pilze selbst im Wald. Dadurch entsteht auch weniger Müll. Aber man sollte eben als Finnlandfan auch nicht alles durch die rosarote Brille sehen. Es gibt auch in Finnland ein paar Dinge, die nicht ganz so gut funktionieren und die verbesserungswürdig sind.
Zum Beispiel wenn man an die Klimastrategie denkt, da hab mich schon ein wenig gewundert. Finnland will bis 2035 klimaneutral werden, indem sie aus der Kohle aussteigen. Was bei weniger als zehn Prozent Strom aus Kohle an sich auch nicht so schwer ist. Aber gleichzeitig wird eben auch verstärkt auf Atomkraft gesetzt und der neue Mailer Olkiluoto 3, nördlich von Rauma, soll ja schon seit Jahren ans Netz gehen.
Er hat bis heute Unsummen an Geldern verschlungen, weil die Genehmigung immer wieder neu beantragt werden musste. Und dort hat Finnland auch das erste Endlager für radioaktiven Müll gebaut. Also auf der einen Seite fokussiert sich Finnland sehr auf Klimaneutralität und macht da auch innerhalb der Europäischen Union Druck, was ich gut finde. Aber auf der anderen Seite, ist die Atomenergie auch nur auf den ersten Blick sauber, die Geschichte mit der Endlagerung steht eben, wie wir wissen, auf einem anderen Blatt.
Finntastic:
Da hast Du Recht, auf diesen Widerspruch bin ich auch schon gestoßen. Wie sieht es eigentlich künftig mit einem Gegenbesuch aus Jyväskylä nach Potsdam aus?
Suomi Alex:
Diesen Sommer war wohl bereits auf städtischer Ebene im Bereich Sport ein Gegenbesuch aus Jyväskylä geplant. Der musste leider wegen Corona ausfallen. Auch bei uns stand ein Gegenbesuch des Kantartenchors aus der Kirche in Kokkala an, leider ist auch der wegen des Virus ins Wasser gefallen.
Wir wollten eigentlich am 16. Mai gemeinsam mit dem Kantaattikuoro in der französischen Kirche in Potsdam ein schönes Konzert geben. Auch eine gemeinsame Bootsfahrt stand auf dem Programm, um den Freunden aus Finnland unsere Stadt zu zeigen und auch zu demonstrieren, dass beide Städte sich sehr ähnlich sind und wir in Potsdam auch von Wäldern und Seen umgeben sind. Aber wir werden das auf jeden Fall im nächsten Jahr nachholen.
Finntastic:
Kiitos paljon, Alexander, für das schöne Interview und dass du uns mehr über Deine Verbindung zu Finnland und eure Städtepartnerschaft mit Jyväskylä erzählt hast. Lass uns gerne in Kontakt bleiben. Vielleicht ergibt sich ja bereits 2021 die ein oder andere gemeinsame Finnlandveranstaltung.
Suomi Alex:
Auf jeden Fall! Dir auch lieben Dank, dass ich über meine Finnlandleidenschaft und mein Ehrenamt berichten durfte. Ein gemeinsames Finnlandevent ist übrigens eine super Idee! Da fällt mir ganz sicher etwas ein.
Über Alexander Richter und den „Freundeskreis Potsdam – Jyväskylä“
Alexander Richters Herz schlägt für Finnland. Angefangen hat alles mit dem Buch „Das Jahr des Hasen“ des finnischen Schriftstellers Arto Paasilinna. In seiner Freizeit engagiert sich der engagierte Naturliebhaber, der auf Instagram auch einen schönen Kanal unter dem Nickname „suomialexx“ betreibt, aktiv für den deutsch-finnischen Kulturaustausch und organisiert regelmäßig Finnlandevents wie Lesungen, Konzerte und jahreszeitliche Veranstaltung im Rahmen der Städtepartnerschaft Potsdam – Jyväskylä.
Gemeinsam mit der Reiseagentur Loma bei Frankfurt am Main organisiert er zudem regelmäßig individuelle Bürgerreisen in Potsdams Partnerstadt Jyväskylä. Mitfahren kann übrigens jeder, der sich für Finnland, die Kultur und Sprache interessiert und einmal eine echte Finnlandreise fernab jeglichem Massentourismus erleben möchte. Mehr Informationen zum „Freundeskreis Potsdam – Jyväskylä“ per Mail an Alexander Richter (alexrichter2808@aol.com) oder unter www.potsdam.de.
Weitere Artikel über Alexander Richters Ehrenamt und den „Freundeskreis Potsdam – Jyväskylä“
- Teilnehmer für Finnlandreise gesucht (Schöner Beitrag über Alexander Richters Engagement in den Potsdamer Neuesten Nachrichten)
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin sehr daran interessiert mit dem Freundeskreis Potsdam- Jyväskylä an einer Finnlandreise teilzunehmen. Für eine Information darüber, würde ich mich sehr freuen. Für Ihre Informationen bezüglich der Reise, vielen Dank im Voraus. Mit freundlichen Grüßen. Gerda Bergmann
Hey!
Das Jahr des Hasen ist eines meiner absoluten Lieblingsbücher!
Dann bist du sicherlich auch ein großer Fan von der Autorin Ingrid Noll, oder ? 🙂
LG Susan