Oskari Lampisjärvi ist Finne, wohnt in Berlin, im Stadtteil Neukölln, und ist Experte für Deutsch-Finnische Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen in Berlin und Umgebung. Speziell für Finnen, aber auch für Touristen aus aller Welt bietet er individuelle Stadtführungen durch Berlin und seinen Stadtteil auf dem Fahrrad an. Außerdem möchte er zum finnischen Craft-Bier-König von Neukölln werden und finnisches Craft Bier in den Läden, Restaurants und Kneipen in Berlin und seinem Stadtteil Neukölln etablieren.
„Ein Finne in Berlin“ – Oskari Lampisjärvi fühlt sich im Berliner Kiez Neukölln wie zu Hause
Finntastic:
Moikka Oskari, cool, dass wir uns auf der Grünen Woche in Berlin, als Finnland Partnerland war, kennengelernt und nun endlich Zeit für ein ausgiebiges Interview gefunden haben.
Doch bevor wir mehr auf Deine Agentur „Connecting Berlin – Finnland“ und Deine speziellen Fahrradtouren durch Berlin eingehen, interessiert uns natürlich, warum hast Du Dir gerade Berlin als Wahlheimat ausgesucht? Vermisst Du Finnland denn gar nicht?
Oskari:
Ich bin 2010 nach Berlin gekommen, wohne also seit fast zehn Jahren in Deutschland. Studiert habe ich Germanistik an der Universität in Helsinki. Damals fehlte mir noch die Masterarbeit und so kam mir die Idee, sie in Berlin zu schreiben. Das war die perfekte Ausrede, um endlich eine Zeit lang in dem Land zu leben, dessen Sprache ich studiert habe. Eigentlich war es gar nicht geplant, dass ich bleibe, aber ich hatte mir vor Ort bereits einen netten Freundeskreis und ein neues Leben aufgebaut. Da hatte ich überhaupt keine Lust mehr zurück nach Finnland zu gehen! Natürlich bin ich jedes Jahr auch zwei bis dreimal iin meiner Heimat Finnland, entweder um Urlaub zu machen oder um Freunde und die Familie zu besuchen. Meist verbringe ich den Sommer mehrere Wochen auf dem Mökki und Weihnachten natürlich bei der Familie.
Finntastic:
Und worüber hast Du Deine Masterarbeit geschrieben?
Oskari:
In meiner Masterarbeit ging es um den Fall der Berliner Mauer und eine Analyse der damaligen Medienberichterstattung. Ich habe untersucht, wie die Tageszeitungen in Ost- und Westdeutschland im November 1989 darüber berichtet haben. Deutsche Geschichte hat mich schon immer interessiert. Für die Analyse habe ich mich durch ein riesiges Archiv an alten Mikrofilmen von 1989 gelesen, denn digitale Medien und das Internet gab es damals noch nicht. Doch das fand ich gerade besonders spannend, denn es gibt so viele alte Artikel und Fotos. Das Resultat war im Endeffekt, dass die Medien im Osten zurückhaltender in der Berichterstattung waren und mehr von der neuen Reiseregelung schrieben. Im Westen war der Fall der Berliner Mauer hingegen die größte Sensation und damit Schlagzeile überhaupt.
Finntastic:
Und was hast Du im Anschluss an Deine Masterarbeit gemacht?
Oskari:
Nach der Masterarbeit habe ich ein Volontariat in der Presseabteilung des Finnlandinstituts in Berlin und im Anschluss ein Praktikum in der Presse- und Kulturarbeit in der finnischen Botschaft in Berlin absolviert. Danach habe ich zwei Jahre in einer Berliner Agentur gearbeitet, die damals die Pressearbeit für Finnlands Hauptstadt Helsinki gemacht hat. Für die Agentur habe ich auch viele Pressereisen nach Finnland organisiert. Als die Agentur Pleite ging, habe ich mich selbstständig gemacht, da ich von der Agentur die Stadt Helsinki übernehmen konnte.
In dem Zusammenhang habe ich dann angefangen, auch andere Sachen zu tun, zum Beispiel die Fahrradtouren durch Berlin anzubieten. Daraus hat sich dann meine Agentur „Connecting Berlin-Finnland“ entwickelt. Denn ich wollte gerne meine Leidenschaft für den Deutsch-Finnischen Kultur- und Wirtschaftsaustausch zum Beruf machen. Mittlerweile organisiere ich zum Beispiel Exkursionen rund um Berlin für finnische Organisationen, mache Consulting for finnische Firmen, helfe finnischen Unternehmen ihre Produkte nach Deutschland und vor allem nach Berlin zu bringen und biete neben den Radtouren auch geführte Spaziergänge an. Künftig möchte ich gerne DER Ansprechpartner für Firmen und Privatpersonen aus Finnland sein, die lokale Kontakte in Berlin und Deutschland suchen oder sonst wie Unterstützung vor Ort brauchen, um sich und ihre Produkte bekannt zu machen.
Finntastic:
Seit wann sprichst Du Deutsch und ist es Dir leicht gefallen Deutsch zu lernen?
Oskari:
Ich liebe Sprachen. Mit 14 Jahren habe ich aus Interesse in der Schule angefangen Deutsch zu lernen. Natürlich hätte ich auch eine andere Sprache wie Französisch wählen könne, aber ich wollte eben Deutsch lernen. Und dass, obwohl die deutsche Sprache unter uns finnischen Schülern damals gar nicht so hipp war. Für mich war es eigentlich eher einfach, die deutsche Sprache zu lernen. Denn ich spreche auch Dänisch und ein wenig Niederländisch. Für mich klingt die deutsche Sprache allerdings immer noch etwas hart, aber ich glaube das behaupten die Deutschen auch vom Finnischen. Witzig finde ich, dass die Deutschen oft nicht wissen, was ein Dativ oder Genitiv ist. Aber als Muttersprachler machst Du eben alles einfach automatisch richtig. Im Deutschen kenne ich die Regel im Grunde ja auch nur so genau, weil ich Germanistik studiert habe.
Finntastic:
Du lebst seit rund zehn Jahren in Deutschland. Hast Du in der Zeit Unterschiede zwischen der deutschen und der finnischen Kultur entdeckt?
Oskari:
In Deutschland ist mir aufgefallen, dass du immer Bargeld zum Zahlen brauchst. Finnland ist da viel fortschrittlicher. Du kannst nämlich überall mit EC- oder Kreditkarte bezahlen, sogar die Gebühr an der Garderobe des noch so kleinsten Klubs. In Deutschland kannst du oft noch nicht einmal in einem Nobelrestaurant mit Karte zahlen. Irgendwie ist Deutschland da echt auf dem Stand der 1980er-Jahre. Das liegt vermutlich daran, dass die Deutschen den Datenschutz und solche Dinge ein wenig zu genau nehmen. Die Finnen machen sich darüber nicht so viele Gedanken. Und auch die deutsche Bürokratie hinkt Jahrzehnte hinter Finnland her. Mir ist das sofort aufgefallen, als ich umgezogen bin. In Finnland kannst du das Ganze ruckzuck online von Zuhause erledigen und musst dir dafür auch keinen freien Tag von der Arbeit nehmen. In Deutschland hingegen musst du einen Termin beim Bürgeramt machen, wenn Du Dich nicht in die Warteschlange zur Ummeldung stellen willst. Vielleicht ist in Finnland die Digitalisierung auch deshalb viel einfacher umzusetzen, weil Finnland weniger Einwohner hat, als Deutschland.
Finntastic:
Und warum hast Du Dir in Berlin gerade Neukölln als Stadtteil ausgesucht?
Oskari:
Eigentlich hat es mich eher zufällig nach Neukölln verschlagen. Ich habe damals dort ein WG-Zimmer gefunden. Zwei Jahre später bin ich dann drei Blöcke weiter in eine eigene Wohnung gezogen, wo ich übrigens noch heute wohne. Ich fühle mich in Neukölln einfach wohl und möchte auch nicht mehr weg. Denn der Stadtteil hat sein ganz eigenes Flair und ist irgendwie ein richtig kleiner Mikrokosmos: Es ist bunt, lebendig, nicht immer sauber, oft laut, aber trotzdem schön! Neukölln ist zu meinem neuen Zuhause geworden, denn ich habe dort mittlerweile mehr Zeit verbracht als in meiner Heimatstadt Helsinki.
Finntastic:
Wer bucht Deine Stadttouren und welche Routen durch Berlin bietest Du an?
Oskari:
Es kamen bislang ganz unterschiedliche Leute, aus ganz verschiedenen Ländern. Derzeit sind es aber hauptsächlich Finnen. Einige Leute wissen tatsächlich schon viel über Berlin und die Geschichte. Andere hingegen wissen überhaupt nicht, was die Berliner Mauer ist. Meine derzeit meistgebuchte Tour heißt „Mauertour in Berlin-Neukölln“. Da geht es um die Geschichte der Berliner Mauer, aber auch um meinen Stadtteil Neukölln, wo ich seit zehn Jahren wohne.
Meistens plane ich meine Touren nicht komplett durch. Ich halte das lieber im Freestyle und erzähle oft spontan Anekdoten oder gebe Informationen zu komischen Sachen, die man so auf der Straße sieht. Mir ist es wichtig, dass die Leute auf den Führungen einen anderen Blick auf die Stadt bekommen. Ich klappere mit ihnen daher nicht nur die typischen Sehenswürdigkeiten ab, wie das Brandenburger Tor oder den Reichstag. Sondern ich zeige ihnen bewusst auch Ecken und Orte, zum Beispiel in meinen Stadtteil Nord-Neukölln, wo Touristen normalerweise nicht hinkommen.
Wenn gewünscht, kann ich aber auch eine allgemeine Berlin-Tour anbieten, auf der man die ganze Stadt samt ihren Stadtteilen und die typischen Sehenswürdigkeiten kennenlernen kann. Bei Finnen sind meine Berlin-Fahrradtouren speziell für Finnen sehr beliebt. Denn das Fahrradfahren ist hier in der deutschen Landeshauptstadt schon ein wenig anders, als in Helsinki oder in einer anderen finnischen Stadt. Der Verkehr ist zum Beispiel viel dichter und es gibt auch ein paar Unterschiede in den Verkehrsregeln zu beachten.
Finntastic:
Und wie kamst Du auf die Idee zu „Polkupyörä“, also Deinen „Fahrrad-Stadtführungen“ für Finnen?
Oskari:
Da spielte mein ganz persönliches Interesse eine entscheidende Rolle. Ich fahre selbst sehr gerne Fahrrad, bin sozusagen ein Fahrradfanatiker. Mich umweltfreundlich und damit mit dem Fahrrad fortzubewegen war mir schon immer wichtig. Angefangen habe ich mit den Radtouren damals, als ich mich mit den Helsinki-Aufträgen selbständig gemacht habe. Ich habe gedacht, warum denn nicht meine persönliche Leidenschaft zum Beruf machen und so kam mir die Idee zu Polkupyröä. Ich biete solche Fahrradtouren aber mittlerweile nicht nur in Finnisch für Finnen, sondern auch in Deutsch, Englisch, Schwedisch oder Dänisch für andere Touristen und Kulturinteressierte an.
Finntastic:
Ich muss zugeben: Ich selbst fahre gar nicht so gerne Fahrrad und ich glaube in Berlin würde ich mich wohl schon gar nicht aufs Rad wagen. Welche Unterschiede gibt es denn beim Fahrradfahren in Deutschland und Finnland zu beachten?
Oskari:
Das ist ja schade! Dann musst Du unbedingt einmal nach Berlin kommen, dann zeige ich Dir, wie man mit dem Rad durch Berlin fährt, das ist gar nicht so schlimm. 😉 Zunächst einmal wird das Fahrrad in Deutschland viel mehr als gleichberechtigtes Verkehrsmittel im Straßenverkehr betrachtet und es gibt daher auch viel mehr Radwege.
Du fährst in Deutschland im Gegensatz zu Finnland zum Beispiel nur auf einer Seite in eine Richtung und auch nur auf der Straße, wenn es keinen Fahrradweg gibt. In Finnland fährst Du meist in beiden Richtungen auf dem Gehweg. Allerdings ändert sich das gerade. In Helsinki gab es bis vor fünf Jahren kaum Radwege. Mittlerweile wird das Radwegsystem aber immer weiter ausgebaut.
Finntastic:
Und was hat es mit Deinem neuesten Projekt auf sich? Wie ich höre hat es mit finnischem Craft-Bier zu tun!
Oskari:
Die Idee dazu kam mir im Januar auf der Grünen Woche, als Finnland Partnerland war. Ich habe für die finnische Kleinbrauerei Saimaa Brewing sowie für die Farm und Brauerei Malmgård, die übrigens eine spannende Geschichte besitzt, den Messestand betreut und auf der Messe viele Klein-Brauereien aus Finnland kennengelernt und natürlich auch etliche finnische Craft-Biere getestet. Ich selbst trinke nämlich ganz gerne Craft-Bier. Und so kam mir die Idee finnische Craft-Biere nach Berlin bzw. nach Berlin-Neukölln zu bringen, denn finnische Biere sind hier noch nicht so stark vertreten. Aber in Finnland gibt es immer mehr Mikrobrauereien, die ihre Produkte auf den deutschen Markt bringen möchten. Und viele Läden und Kneipen in Berlin suchen stetig nach neuen, innovativen Produkten.
Mittlerweile kenne ich mich in der finnische Bierszene richtig gut aus und es macht Spaß, sie immer weiter zu entdecken. Meine erste Lieferung von den sieben verschiedenen Brauereien aus Finnland, die derzeit dabei sind, ist bereits angekommen. Für die Grüne Woche im nächsten Jahr werde ich außerdem Biere aus dem Saimaa-Seengebiet importieren und verkaufen. Das Bierbusiness kommt also voran! Und noch ein Tipp: Am 28. November 2019 wird es in der Bar „Hopfenreich“ in Berlin-Kreuzberg ein „Finnish Brew Tap Takeover“, also ein finnisches Biertasting Event geben. Es werden sechs finnische Craft-Biere vom Fass ausgeschenkt! Mehr dazu erfahrt ihr rechtzeitig auf deren und auch auf meiner Website.
Und wo wir schon beim Thema umweltfreundliche Mobilität sind: Zum Ausliefern nutze ich natürlich das Lastenrad. Ich bin sehr gespannt, wie die Produkte bei den Deutschen ankommen. Und vielleicht werde ich künftig ja mal so was wie der Finnische Craft-Bier-König von Berlin-Neukölln. *lacht*
Finntastic:
Hast Du zum Abschluss noch ein paar Finnlandtipps für Neukölln und Berlin für uns?
Oskari:
Es gibt in Berlin tatsächlich einige finnische Restaurants und Cafés, zum Beispiel das Café Populus in Neukölln, das von Finnen betrieben wird und leckere Kuchen anbietet. Vor kurzem habe ich mir außerdem den finnischen Kiosk in Berlin-Kreuzberg angeschaut. Er liegt ein wenig versteckt in einem Innenhof von einem Bürogebäude. Bislang kennen ihn nur die Leute aus der Nachbarschaft. Dort gibt es vielleicht bald auch finnisches Craft-Bier!
Finntastic:
Cool, danke für die Tipps, einiges kannte ich tatsächlich noch nicht. Das finnische Kiosk muss ich bei meinem nächsten Berlin-Trip unbedingt einmal besuchen.
Oskari:
Unbedingt! Und Du bist herzlich eingeladen, mit mir auf dem Fahrrad durch Berlin zu radeln und auch finnisches Craft-Bier zu testen.
Über Oskari Lampisjärvi und seine Agentur „Connecting Berlin – Finnland“
Osari Lampisjärvi ist Finne und stammt aus Helsinki. Seit 2010 ist der Berliner Stadtteil Nord-Neukölln seine Wahlheimat. Schon in der Schulzeit lernte er Deutsch, studierte später er an der Universität Helsinki Germanistik. Durch seine Masterarbeit, bei der er die Unterschiede in der Medienberichterstattung über den Fall der Berliner Mauer in Ost und West untersuchte, verschlug es ihn nach Berlin. Deutsche Geschichte hat ihn schon immer interessiert und er wollte unbedingt eine Zeit lang in Deutschland leben. Berlin-Neukölln gefiel ihm schließlich so gut, dass er sich entschied zu bleiben.
Und weil er sich schon immer für die Deutsch-Finnischen Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen interessierte, absolvierte er nach dem Studium ein Volontariat in der Öffentlichkeitsarbeit des Finnlandinstituts, machte im Anschluss ein Praktikum in der Presse- und Kulturarbeit der finnischen Botschaft in Berlin und arbeitete dann ein paar Jahre in einer Berliner Agentur , die u.a. die Pressearbeit für die Stadt Helsinki verantwortete.
Heute ist er selbstständig und hat seine Leidenschaft für den Deutsch-Finnischen Kultur- und Wirtschaftsaustausch zum Beruf gemacht. Mit seiner Agentur „Connecting Berling – Finland“ bietet er Consulting für finnische Unternehmen an, hilft bei der Vermarktung finnischer Produkte in Berlin und Deutschland und organisiert Exkursionen rund um Berlin für finnische Organisationen. Seit kurzem ist er auch im Import und Handel mit finnischem Craft-Bier aktiv und unterstützt Brauereien aus Finnland dabei, ihr Craft Beer nach Berlin zu bringen.
Darüberhinaus bietet Lampisjärvi Stadtführungen durch Berlin an. Beliebt sind zum Beispiel seine „Mauertouren durch Neukölln“ oder seine geführte Fahrradtouren durch Berlin speziell für Finnen, aber auch für Touristen aus aller Welt. Gebucht werden können die Radtouren entweder über www.doerz.com/berlin/polkupyora-berliini oder direkt über seine Website www.berlin-Finnland.de.