Das Bürgerbräu-Areal im Stadtteil Zellerau ist die Kreativ-Location schlechthin in Würzburg und Umgebung. Teil des Kulturzentrums ist auch der Finnish-German Concept Stores (FIN-GER) im alten Pferdestall. Gemeinsam mit dem Bezirksverein Würzburg der Deutsch-Finnischen Gesellschaft Bayern, den kreativen Köpfe des FIN-GER Juhani Karanka und Matthias Braun und ganz vielen Finnlandfreunden feierte ich am vergangengen Wochende gemeinsam das traditionelle, finnische Mittsommerfest (Juhannus) zur Sommersonnenwende.
Mittsommer mit dem FIN-Ger Concept Store und der DFG-Bayern
Auf der grünen Wiese des Bürgerbräugeländes, gleich neben dem kleinen Teich, versammelte sich mit mir zusammen eine kleine Gruppe von Finnen, Schweden und anderen Nordlichtern, um gemeinsam den Juhannusabend zu zelebrieren. Mittsommer (Juhannus)ist eines der wichtigsten Feiertage in Finnland, gleich nach Weihnachten. Es wird traditionell zusammen mit Freunden und der Familie auf dem Land verbracht. Viele Städte sind zu dieser Zeit wie ausgestorben. Das Juhannus-Wochenende gilt außerdem als das verkehrsreichste Wochenende im Jahr. Überall werden zudem große Johannisfeuer (Juhannuskokot) angezündet. Früher dienten sie dazu, böse Geister zu vertreiben, heute sind sie neben dem Gang in die Sauna der Höhepunkt des Mittsommerfestes. Juhannus ist außerdem der Tag der finnischen Flagge und somit der einzige Tag im Jahr, an dem die finnische Flagge auch über Nacht gehisst bleiben darf.
Natürlich gab es auch bei uns eine große Finnische Flagge. Tradition muss sein! Ob in Finnisch, Schwedisch, Deutsch oder Englisch, geplauscht wurde in geselliger Runde jedenfalls bis spät nach Mitternacht. Natürlich gab es schmackhafte, finnische Speisen wie Flammlachs (loimulohi) sowie zahlreiche finnische Spirituosen, beispielsweise Karhu Olut (Bier), Koskenkorva Wodka oder Minttu, einen leckeren, finnischen Minzlikör. Auf dem Grill brutzelten Steaks und Bratwürste. Besonders delikat war der am kleinen Juhannuskoko (Johannisfeuer) gegarte, finnische Flammlachs. Natürlich musste dieser im Vorfeld erst einmal nach finnischer Art zubereitet werden.
Ausgerüstet mit einem Hammer und Nägeln, durfte ich den Fisch an den zwei dafür vorgesehene Holzkreuzen fixieren, die am kleinen Feuer installiert wurden. Mariniert wurde der Lohi natürlich ebenfalls ganz nach finnischer Manier. „Das Geheimrezept eines traditionellen, am Feuer gegarten Flammlachses ist die spezielle Marinade aus Öl und Wodka“, erklärte mir Juhani. Und tatsächlich, nach einiger Zeit konnten wir den knusprigen Fisch, vom Holz entfernen und ihn zusammen mit Salat und allerlei anderen finnischen Köstlichkeiten genießen. Und ich muss zugeben, auch wenn die „Bürgerbräu Bratwurst“, eine pikant gewürzte Bratwurst mit Chilli, keine finnische Erfindung ist, so war sie neben dem Flammlachs das kulinarische Highlight des lauen Sommerabends.
FIN-GER Art Sauna – oder ich zimmere mir eine Sauna aus Europaletten
Doch das wahre Highlight des Abends war definitiv der Aufbau der FIN-GER Art Sauna, direkt neben dem Teich. Ihr habt richtig gehört: im Laufe des Abends entstand tatsächlich aus zahlreichen Holzpaletten, Bauholz, einem elektrischen Mini-Saunaofen, echten Saunasteinen direkt aus Finnland und einer Duschinstallation auf der Rückseite der Holzkonstruktion, eine echte finnische Sauna! Und die gehört, ebenso wie Flammlachs, zu einem traditionellen Mittsommerfest. Und das Schöne an der ganzen Aktion: Auch die zahlreich erschienen Gäste durften sich unter der Federführung von Juhanni und Matthias, ausgestattet mit Säge, Akkuschrauber, Hammer und Nägeln, an der Errichtung der Art Sauna beteiligen.
Nach stundenlanger Fleißarbeit stand sie schließlich gegen Mitternacht und wurde feierlich mit dem ersten Löyly (Aufguss) eingeweiht! Zugegeben, mehr als 40 Grad schafften wir im ersten Anlauf nicht. Eine echt finnische Sauna hat eigentlich eine Temperatur zwischen 80 und 100 Grad. Doch wenn die letzten Luftlöcher verschlossen sind und die Sauna ein wenig mehr Zeit zum Vorheizen hat, dann steht einem traditionellen, finnischen Saunabad auf dem Bürgerbräu-Areal ganz sicher nichts mehr im Wege. Eine wirklich witzige, kreative Idee – perfekt für einen außergewöhnlichen, finnischen Mittsommerabend!
Mölkky-Wettkampf auf dem Bürgerbräu-Rasen
Während andere an der Sauna zimmerten, fand auf der grünen Wiese ein Mölkky-Wettkampf statt. Mölkky ist ein finnisches Geschicklichkeitsspiel und ähnelt dem Kubb oder Wikingerschach. Mit dem „Mölkky“, dem Wurfholz, wird auf zwölf hochkant stehenden Spielhölzer geworfen, die alle ganz unterschiedliche Zahlen haben. Ziel des Spiels ist es, genau 50 Punkte zu erzielen. Vor kurzem fand in dieser Disziplin in Erlangen wieder die Deutsche Mölkky-Meisterschaft statt. Die nächste ist übrigens wieder am 16. und 17 Juni 2018. Ihr habt also noch ein wenig Zeit zum Üben! 🙂
Alles in allem war es ein wirklich toller Abend mit zahlreichen, interessanten Begegnungen und Gespräche. Vielen Dank an Matthias, Juhani und Yvonne für die Einladung und an Karin, Marina, Thomas, Ralf und alle anderen, mit denen ich mich so nett in Deutsch oder Finnisch über das Land der tausend Seen ausgetauscht habe. Es hat wirklich richtig viel Spaß gemacht mit Euch! Das Kultur- und Kreativzentrum auf dem Bürgerbräugelände gefällt mir richtig gut. Ich komme gerne wieder! 🙂
Bürgerbräu Sommerfest – Ein Saunahäuschen als Ausstellungsfläche, tierische Ausstellungsbesucher und samische Handwerkskunst
Und da ich auf dem Juhannusfest von Juhani erfuhr, dass auf dem Bürgerbräu-Areal an dem Sonntag nach Juhannus ein großes Sommerfest gefeiert wird, haben ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, auch dort vorbei zu schauen. Auf dem Gelände herrschte bereits ein reges Treiben, als ich mit der Straßenbahn ankam. Zunächst machte ich einen kleinen Abstecher auf den Bürgerbräuflohmarkt, wo ich natürlich sofort fündig wurde: Ein paar goldfarbene Ohrringe erhaschten meine Aufmerksamkeit. Sie passten einfach perfekt zu meiner finnischen Kalevala-Halskette aus Helsinki, die ich zum Abschied meines Auslandsaufenthaltes in der Ostseemetropole von meinen damaligen, finnischen Kollegen geschenkt bekam.
Auf dem großen Platz vor den kleinen Kreativ-Stores, die im alten Pferdestall angesiedelt sind, warteten orangefarbene Tische und Bänke mit Sonnenschirmen auf gutgelaunte Gäste. Überall duftete es nach Grill und Geräuchertem. Ausgeschänkt wurde selbstverständlich original Bürgerbräu Bier der Würzburger Hofbräu, aber auch alkoholfreie Getränke. Dazu passte natürlich perfekt die bereits erwähnte original Bürgerbräu Bratwurst der Zellerauer Metzgerrei Kirchner. Aber auch die gutgewürzte Wildbratwurst war eine Gaumenfreude. Und auch für Veganer und Vegetarier gab es ganz unterschiedliche Köstlichkeiten zu entdecken. Verschiedene Livebands sorgten noch dazu mit fetziger Musik den ganzen Tag für super Stimmung. Nach einem leckeren Kaffee in der stylischen 87 Bar von Thomas und Marina ging es köstlich gestärkt weiter auf sommerliche Entdeckungstour.
Dogumenta – eine tierische Ausstellung nur für Hunde
Natürlich machte ich zuerst Halt am FIN-GER und begrüße Juhani und Matthias. Sie luden mich sogleich ein, einen Blick in den Store zu werfen, denn dort lief noch das ganze Wochenende die Dogumenta, die Ausstellung nur für Hunde. Ein Schild an der Tür macht klar: Herrchen und Frauchen müssen draußen bleiben. 😉 Juhani erklärte mir, dass deswegen die Kunstwerke alle so tief unten an der Wand platziert sind. Neben den vielen Hundeportraits in ganz unterschiedlichen Malstilen, tanzte ein Kunstwerk besonders aus der Reihe. „Das Kunstwerk heißt Katzenklappe“ lacht Juhani. Es zeigte eine Katze hinter einer Plastikklappe. In der Mitte des Ausstellungsraum stand außerdem ein kleiner Hundekorb und ein Hundenapf mit Wasser. Bei der Wärme hat der ein oder andere tierische Ausstellungsbesucher sicher Durst. „Letztens hat uns tatsächlich ein vierbeiniger Kunstliebhaber an den Hundkorb gepinkelt“, bemerkt Juhani grinsend. Hunde sind eben auch nur Menschen!
FIN-GER Architektur Biennale 2017
Juhani erzählte mir außerdem, dass am 25. Juli 2017 wieder die Fin-GER Architektur Biennale stattfindet. Zu Gast diesmal im Fürstensaal der Würzburger Residenz sind die beiden deutschen Architekten Nanni Grau und Frank Schönert vom Architekturbüro Hütten & Paläste. Sie werden in diesem Jahr mit dem Goldfinger-Preis geehrt. Ab 19 Uhr präsentieren die Architekten ihre Arbeiten und halten unterschiedliche Vorträge und ab 21 Uhr wird mit einer Vernissage die Ausstellung im FIN-GER eröffnet. Sie läuft dann vom 25. Juli bis 08. August 2017 und kann zu den Öffnungszeiten des FIN-GER besucht werden. Karten für die Auftaktveranstaltung in der Residenz samt Vorträgen, Vernissage, Fingerfood und Sekt gibt es für 15 Euro in der Akademischen Buchhandlung Knodt (Textorstr. 4) sowie direkt im FIN-GER. Juhani und Matthias freuen sich über zahlreiche architekturinteressierte Gäste.
Die FIN-GER Art Sauna als Ausstellungsort
Selbstverständlich haben ich gemeinsam mit Juhani und Matthias noch einmal auf dem Platz neben dem Brunnen vorbeigeschaut – denn die fertige Sauna musste ich natürlich auch noch einmal bei Tageslicht bewundern. „Das ist die S1 Fin-Ger Art Sauna“, erklärte Juhani mir und klebte den weißen Zettel mit blauer Schrift auf die Außentür. „Damit auch niemand unsere echte, finnische Kunstprojektsauna mit einem stillen Örtchen verwechselt“, scherzt er. Jetzt verstehe ich, die Sauna sieht bei geschlossener Tür tatsächlich wie ein Plumsklo aus. Doch an diesem sonnigen Tag stand die Tür einladend offen. Juhani erzählte mir, dass die Sauna eine Kunstausstellung beherbergt, mit Werken von der deutschen Künstlerin Laura Zyzeka aus Halberstadt, die aber seit langem in Würzburg ansässig ist.
Der Titel der Ausstellung lautete „Grenzland“. Die junge Künstlerin hat für ihre Ausstellung ganz unterschiedliche Kunstwerke in klein und groß auf Fotopapier, Holz und Leinwand gebracht. Darunter sind Titel wie „Täuschung“, „Struktur“, „Verbindung“, „Hoffnung“ oder „Fixpunkt“. Juhani stellte mir die junge Künstlerin vor. „Viele der Bilder der Ausstellung sind in einem Dorf an der ehemaligen, innerdeutschen Grenze entstanden“, berichtete Laura. „Wie wir alle wissen, teilte diese Grenze Deutschland eine ganze Zeit lang. Als der eiserne Vorhang fiel, wuchsen Ost und West langsam wieder zusammen. Grenzen erhitzen aber auch heute noch die Gemüter, wie beispielsweise im Rahmen der Flüchtlingskrise. Dieser Gedanke verbindet die FIN-GER-Sauna als Ausstellungsort mit meinem Kunstprojekt. Denn in der Sauna bekommt man auch einen heißen Kopf“, erklärt sie mir.
Samische Handwerkskunst aus Sápmi, dem Land der Samen
Nach dem Gespräch mit Laura ging es weiter zum kleinen Kunst- und Handwerkermarkt. Von A bis Z gab es dort eigentlich alles zu kaufen, was das Herz begehrt. Töpferwaren, Stofftaschen, geschnitzte Holzfiguren, Biolebensmittel oder Schmuck. Besonders der Stand von Melanie Knizia-Pawolka (Passion for Sápmi) zog meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Sie ist Kunsthandwerkerin und stellt traditionellen Sámi-Schmuck zum Beispiel Sámi-Armbänder her. „Die Sámi sind ein indigenes Volk, das noch heute Teile Lapplands in Finnland, Schweden und Norwegen sowie kleinere Gebiete auf der russischen Kola-Halbinsel bewoht. Sie leben komplett von der Rentierzucht und haben ihre eigene Naturreligion, wozu auch das Joiken, der spirituelle Sámi-Gesang, gehört.
„Viele, die angeblich traditionellen Sámi-Schmuck verkaufen, haben gar keine Beziehung oder Kontakte zu dem Urvolk“, erzählt mir Melanie. Sie selbst hingegen bezieht all ihre Materialien für die Herstellung der Armbänder direk aus Sápmi, wie das Land der Sámi auch genannt wird. Jedes ihrer Armbänder ist ein Unikat und wird von ihr selbst in zirka sechs Stunden in mühevoller Kleinarbeit handgefertigt. Zum Material gehört ein gesponnener Zinnfaden mit einem vierprozentigen Silberanteil, chromfrei gegerbtes Rentierleder sowie handgepfeilte Knöpfe aus Rentierhorn.
Wenn ihr also ein tolles Schmuckstück mit skandinavischer Seele haben wollte, dann schaut euch mal in ihrem Online-Shop um. Ihr unterstüzt so auch indirekt das Volk der Sámi. Diese haben sich ihre Anerkennung über viele Jahre hinweg hart erkämpft. Doch immer wieder kollidiert auch heute ihre Kultur mit wirtschaftlichen Interessen. Die Sámi sind als Rentierzüchter auf die intakte Natur angewiesen. Sie nutzen die Urwälder Skandinaviens als Winterweide für ihre Rentiere. Nur dort wächst eine bestimmte Flechte, die Teil der Rentiernahrung ist und dafür sorgt, dass diese gesund bleiben. Deshalb ist es für die Sámi lebensnotwendig, dass die nordischen Urwälder erhalten bleiben und nicht der Forstwirtschaft, dem Tourismus oder dem Abbau von Bodenschätzen zum Opfer fallen. Mehr über die Sámi erfahrt Ihr ganz bald in einem meiner nächsten Blogbeiträge.
Es war einfach ein ganz tolles Wochenende in Würzburg. Ich habe viele nette Nordlichter und Finnlandfreunde kennengelernt und viele neue, interessante Dinge über das Land erfahren. Wenn ihr also mehr über Finnland erfahren wollt und gleichgesinnte Finnlandfreaks treffen möchtet, schaut unbedingt mal bei Euch vor Ort, bei der ein oder anderen Veranstaltung der Bezirksvereine der Deutsch-Finnischen Gesellschaft vorbei.In diesem Sinne „Nähdään, ensi kertaa!“ Bis zum nächsten Mal!
Terveisiä Finntastic
HEy toller Artikel! Leider kann ich über Facebook keinen Kontakt zu dir aufnehmen .. vielleicht kannst du mich nochmal anschreiben !! Glg laura zyzeka
Hallo Laura, schön, dass Dir mein Post gefällt. Ich schicke Dir gleich eine Freundschaftsanfrage via facebook. 🙂 LG