Joachims Finnlandliebe begann vor 50 Jahren. Damals war er 12 Jahre jung und in seiner Heimatgemeinde Wehrheim am Taunus waren anlässlich des ersten „Wehrheimer Folklore- und Schützenfestes“ Gäste aus zahlreichen europäischen Ländern zu Gast. So auch Auvo und Olli von der Folkloretanzgruppe der Jugendorganisation „Mietoisten Nuorisoseura“ aus Mietoinen in Südwestfinnland, die damals bei Joachims Oma und Opa unterkamen. Ein Jahr später folgte der Gegenbesuch nach Mietoinen und Lieto in der Nähe von Turku. Dort war er bei Familie Haapakoski untergebracht. Das war der Beginn einer Finnlandliebe, die bis heute anhält. Mehr dazu erzählt uns Motorradfan Joachim im Interview und verrät uns auch, woher er seinen finnischen Spitznamen „Pikku Jussi“ hat und welche Regionen in Finnland sich perfekt für eine Motorradtour eignen.
Wie alles begann – Interview mit Finnlandfreund Joachim alias „Pikku Jussi“
Finntastic:
Moikka ja hei Joachim. Du hast damals beim Finnlandgeschichten-Gewinnspiel einen tollen Beitrag über Deine Finnlandleidenschaft eingereicht.
Jetzt wollen wir natürlich mehr dazu erfahren! Seit wann schlägt Dein Herz für das schöne Land im hohen Norden?
Joachim:
Mit Vergnügen! Also aufgewachsen bin ich in der damals 3.500-Seelen-Gemeinde Wehrheim im Taunus. Schon damals hatte unsere Gemeinde ein reges Vereinsleben. Auch wenn ich heute nicht mehr dort wohne, so fühle ich mich meinem Heimatort noch immer sehr verbunden. Noch bis vor kurzem habe ich mich dort auch aktiv in der Bildungsarbeit der Landjugend engagiert.
Als ich 12 Jahre alt war, hatten meine Oma Berta und Opa Josef „Sepp“ im Rahmen des ersten Wehrheimer Folklore- und Schützenfestes die beiden finnischen Gäste Auvo und Olli von der „Mietoisten Nuorisoeura“ aus Varsinais-Suomi zu Gast. Mietoinen liegt übrigens in Südwestfinnland, zwischen Turku und Kustavi und die Mietoisten Nuorisoseura ist eine finnische Jugendorganisation, ähnlich unserer Wehrheimer Landjugend, die eine eigene Folkloretanzgruppe unterhält, mit der sie bei uns in Wehrheim zu Gast waren.
Die Gäste wurden damals privat untergebracht. Ich fand es natürlich unheimlich spannend, dass 300 Gäste aus fünf unterschiedlichen, europäischen Ländern zu gegen waren. Zudem waren Sommerferien, ich hatte nicht viel zu tun und so habe ich mich einfach an die Gäste angehängt und bin bei den Ausflügen in die Umgebung dabei gewesen. Das hat natürlich irre viel Spaß gemacht, den ausländischen Gästen unsere Gegend zu zeigen. Letztendlich habe ich mit ein paar der Leute von der Tanzgruppe Adressen ausgetauscht. So haben wir uns dann regelmäßig Briefe geschrieben. Mit einigen hält der Kontakt übrigens bis heute.
Finntastic:
Und wann bist Du das erst Mal nach Suomi gereist?
Joachim:
Das war 1971, also schon ein Jahr später. Gemeinsam mit der Wehrheimer Landjugend haben wir unsere Gäste in Mietoinen und Lieto besucht. Untergebracht waren auch wir in Gastfamilien. Gewohnt habe ich bei Familie Haapakoski und ihrer damals 13-jährigen Tochter Leena in Lieto. Wir haben noch heute Kontakt und auch Leenas Tochter Kaisa sowie die Enkelin Sophia haben uns schon mehrfach in Frankfurt besucht. Die Mietoisten Nuorisoseura war dann auch noch viermal im Taunus zu Gast.
Mit 15 Jahren bin ich dann ganz alleine mit Zug, Bus und Fähre über Schweden nach Finnland gereist. Die Route habe ich mir ganz allein herausgesucht. Von Travemünde ging es mit der Fähre damals nach Nynäshamn. Damals gab es da noch eine Fährverbindung und mit dem Bus ging es dann nach Stockholm und weiter nach Kapellskär. Von dort habe ich die Viking-Fähre rüber nach Naantali in Finnland genommen. Damals bin ich in Finnland als 15-Jähriger auch das erste Mal mit so einem kleinen, finnischen Tunturi Moped gefahren. Das war wirklich ein echtes Abenteuer! *lacht*
Finntastic:
Und wie ging es weiter?
Joachim:
Mit 21 Jahren kam, was kommen musste: die erste große Liebe namens Ulla. Wir haben uns eine Zeit lang Briefe hin- und hergeschrieben. Skype gab es ja noch nicht und Telefonate sowie Auslandsflüge waren teuer. Und so schlief das Ganze leider irgendwann ein. Denn Briefe waren damals auch noch ewig unterwegs.
Doch die Liebe zum Land, zur Sprache und Kultur und seinen Bewohner ist geblieben und hält sich bis heute hartnäckig. Und durch meine Mitgliedschaft in der Deutsch-Finnischen Gesellschaft kamen regelmäßig auch neue, nette Finnlandkontakte und -freundschaften dazu. Finnland ist einfach zu meiner zweiten Heimat geworden. Gerne verbringe ich deshalb auch meinen Sommerurlaub in Finnland oder ich reise mit dem Motorrad durchs Land.
Finntastic:
Ach cool, Du bist auch Mitglied in der Deutsch-Finnischen Gesellschaft. Seit wann bist Du Mitglied und wie kam es dazu?
Joachim:
Ich wurde 1980 Mitglied in der Deutsch-Finnischen Gesellschaft und ein Jahr später plante die Landjugend Wehrheim eine Fahrt nach Finnland. Als kompetentes Reisebüro wurde uns „LOMA“ aus dem hessischen Runkel empfohlen und so kam ich mit Reiner Apffelstaedt, dem Inhaber in Kontakt. Reiner war gleichzeitig Kulturreferent der hessischen DFG und so organisierten wir verschieden Events zusammen.
Damals lief im Fernsehen die Quizsendung „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kulenkampff und im Rahmen dieser Show wurde die Nordkarelische Fokloregruppe „Motora“ aus Joensuu extra nach Frankfurt eingeflogen. Um ihnen während der kurzen Zeit wenigstens einen kleinen Einblick in das hessische Dorfleben zu geben, brachten wir sie über Nacht in Familien in Wehrheim unter und hatten am Abend großen Spaß bei einem gemeinsamen Karelisch-Finnischen Folkloreabend im Wehrheimer Bürgerhaus.
Reiner Apffelstaedt kannte außerdem die finnische Jazz-Swing „Legende“ Pentti Lasanen und so haben wir in der Wehrheimer Schwimmbadgaststätte ein deutsch-finnisches Jazzfrühschoppen mit Pentti und seiner Band sowie „Nacke“ Johansson, „Chrisse“ Schwindt und Tapio Salo veranstaltet. Weil es in der Gaststätte aber kein Klavier gab, hat der damalige Bürgermeister sogar dafür gesorgt, dass Mitarbeiter des örtlichen Bauhofs extra ein Klavier für Pentti und seine Band in das Lokal brachten *lacht*
Finntastic:
Und wie oft warst Du jetzt schon in Suomi?
Joachim:
Oh, das weiß ich, um ehrlich zu sein gar nicht mehr so genau. Ich war mittlerweile so oft in Finnland, dass ich irgendwann aufgehört habe zu zählen. Aber wenn ich alle Reisen und Urlaube zusammenzähle, dann habe ich rein rechnerisch sicher schon mehr als vier Jahre meines Lebens in Finnland und Schweden verbracht. *lacht*
Finntastic:
Du bereist Finnland besonders gerne auch mit dem Motorrad, hast Du ein paar Tipps für andere Motorradfans und magst Du ein wenig über eine Deine Motorrad-Reisen erzählen?
Joachim:
Gerne! Ich liebe es im Sommer mit dem Motorrad durch Schweden und Finnland zu reisen. Dafür nehme ich mir immer richtig viel Zeit. Daher reise ich meist auch nicht auf dem direkten Weg nach Finnland, also mit der Fähre von Travemünde nach Helsinki, sondern nehme meist den Umweg über Schweden und zwar über Småland, also die Region südlich von Stockholm. Von da aus hast Du zwei echt tolle Möglichkeiten, weiter nach Finnland zu reisen.
Finntastic:
Das klingt vielversprechend! Erzähl uns mehr darüber!
Joachim:
Entweder nimmst Du die Tagesfähre von Stockholm nach Turku. Das ist die kürzeste bzw. die direkteste Verbindung nach Finnland. Und es ist wirklich traumhaft, denn die Fähre schippert direkt durch den Schärengarten zwischen Schweden und Finnland, mit seinen vielen kleine Inseln, die mehr oder weniger bewohnt sind.
Du siehst nur Wasser, die kleinen Inseln und rote Häuschen und über dir kreisen und kreischen die Möwen. Einfach wunderschön! Die Schären mit ihren rund 28.000 Inseln zählen für mich übrigens zu einer der schönsten Kulturlandschaften überhaupt! Es gibt natürlich auch die Möglichkeit die Nachtfähre von Stockholm nach Turku zu nehmen. Das ist in den hellen Sommernächten, also wenn die Sonne nicht unter geht, ganz sicher auch eine tolle Sache!
Eine andere aber nicht minder schöne Route ist die Strecke über die Ålandinseln. Diese Inselgruppe liegt ungefähr in der Mitte zwischen Schweden und Finnland. Sie gehören zwar zu Finnland, sind aber verwaltungstechnisch autonom. Die Leute sprechen dort auch überwiegend Schwedisch anstatt Finnisch.
Mit den Eckerölinjen kannst du zum Beispiel vom schwedischen Grisslehamn mit der Fähre rüber auf die Inseln nach Eckerö übersetzen und dann weiter über die mit Straßen verbunden Inseln nach Hummelvik fahren. Von dort nimmst Du die Fähre nach Enklinge und von da geht es weiter mit einer anderen Fähre nach Lappo und rüber nach Turkholma. Von dort kannst du bis Brändö fahren und nimmst dann die Fähre rüber ans finnische Festland nach Kustavi.
Das ist wirklich eine wunderschöne Route – sehr zu empfehlen! Allerdings ist es mit dem Auto und besonders mit dem Wohnmobil eher schwierig. Die Straßen sind klein, eigenen sich nicht für einen Camper und eigentlich sind die Fähren sowieso für die Einheimischen gedacht, die in ihr Sommerhäuschen wollen. Deshalb sollte du die Überfahrten vorbuchen, wenn du dennoch planst mit dem Auto oder dem Wohnmobil diese Route zu nehmen, damit du auch ganz sicher mitgenommen wirst.
Finntastic:
Und gibt es noch weitere Teile von Finnland, die sich für einen Motorradtrip eignen?
Joachim:
Na klar! Mittelfinnland, Nordkarelien, das Saimaa-Seengebiet in Ostfinnland und die Gegend rund um Jyväskylä mit dem Päijänne-See sind ideal für eine Sommer-Motorradtour. Es gelten übrigens für Motorräder dieselben Geschwindigkeitsbegrenzungen, wie für Autos. Und die Landschaft ist so schön. Sie lädt definitiv nicht zum Rasen ein, sondern ist ideal zum cruisen. Besonders gerne mache ich auf der Route Halt in einem der vielen, kleinen Sommercafés, die es in Finnland überall entlang der größeren Straßen gibt. Es ist einfach herrlich dort zu sitzen, seinen Kaffee zu trinken und sein Korvapuusti, also eine finnische Zimtschnecke, zu essen und auf den See und die glitzernde Wasseroberfläche zu schauen.
Finntastic:
Und wann geht es das nächste Mal privat nach Finnland?
Joachim:
Eigentlich hatte ich diesen Sommer im August eine Motorradtour durch Finnland und Schweden geplant. Die Coronakrise hat mir natürlich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber nächstes Jahr habe ich vor, mein 50-jähriges Finnlandjubiläum gemeinsam mit meinen Freunden im „Maamiesseurantalo“ in Mietoinen zu feiern, dem Ort, wo ich damals als „Pikku Jussi“ zum ersten Mal in Finnland war. Das wird sicher richtig toll!
Finntastic:
Und wie kamst Du zu Deinem finnischen Spitznamen „Pikku Jussi“?
Joachim:
Das ist eine lustige Geschichte! *lacht* Entstanden ist das ganze damals als ich 13 Jahre alt war. Und zwar bei meinem ersten Besuch in Suomi. Wie viele Finnisch Lerner unter euch sicher wissen, hießt „kyllä“ ja und umgangssprachlich einfach „Joo“. Und mein deutscher Spitzname ist Jo, also die Abkürzung von Joachim, allerdings mit einem o.
Und irgendwie habe ich dann bei meinem Finnlandbesuch überall fälschlicherweise meinen Namen gehört. Und so kamen meine Freunde aus Mietoinen auf die Idee mir einen finnischen Spitznamen zu verpassen. Die Wahl fiel auf Pikku Jussi. Denn „Jussi“ ist die finnische Variante von Johannes sowie von Joachim und „pikku“ heißt einfach klein. Und weil ich erst 13 Jahre alt und damit noch Grün hinter den Ohren war, entstand die Kombination „Pikku Jussi“. Den Spitznamen habe ich bis heute behalten. Und das Lustige: Viele meiner finnischen Freunde in Mietoinen kennen mich gar nicht unter meinen richtigen Namen Joachim, sondern nur unter Pikku Jussi. *lacht*
Finntastic:
Witzig Geschichte! *lacht* Du bist ja mittlerweile sowas wie ein Profi in puncto deutsch-finnischer Kulturaustausch. Kannst Du Unterschiede zwischen der deutschen und Finnischen Mentalität erkennen?
Joachim:
Grundsätzlich gilt: Die Finnen sind ein sehr herzliches und gastfreundliches Volk. Ich würde jedoch sagen, die Finnen sind deutlich zurückhaltender, als wir Deutschen. Du solltest in Finnland daher keinesfalls mit der Tür ins Haus fallen. Die Finnen brauchen einfach ihre Zeit, um mit Dir warm zu werden. Allerdings tauen sie schnell auf, wenn sie merken, dass Du das Herz am rechten Fleck hast. Und insgesamt sind die Finnen auch viel relaxter, als wir Deutschen. Das gilt übrigens auch für den Autoverkehr. Das gefällt mir sehr!
Und ich glaube viele Finnen haben kein Problem damit auch mal allein zu sein. Sie fahren auf ihr Mökki, ihr Sommerhaus, um eben genau das zu genießen: Die Ruhe, die Natur und die Einsamkeit. Damit haben wir Deutschen sehr oft ein Problem. Das zahlt sich natürlich jetzt in der Krise aus. Ein gutes Beispiel hierfür ist übrigens mein Freund Jyrki: Der hat mir einmal erzählt, dass seine Familie seit einigen Generationen ein Sommerhaus in Finnland hat, er aber seinen Nachbarn nicht näher kennt. Smalltalk über den Gartenzaun, wie bei uns in Deutschland, scheint es anscheinend in Finnland nicht so zu geben.
Natürlich hat sich all das sicher ein wenig gewandelt. Junge Finnen werden in einem vereinten Europa groß, gehen zum Studium ins Ausland und sind deshalb wohl ein wenig offener und geselliger als die ältere Generation.
Finntastic:
Und was gefällt Dir besonders an der finnischen Kultur?
Joachim:
Die Finnen leben stark im Einklang mit der Natur. Es herrscht das Jedermannsrecht. Das heißt jeder darf sich frei in der Natur aufhalten und im Spätsommer oder Herbst überall Beeren und Pilze sammeln. Allerdings respektieren die Finnen auch hier die Privatsphäre ihrer Mitmenschen. Wenn Du also beim Pilze sammeln entdeckst, dass am nah gelegenen Mökki die Fahne gehisst ist, dann machst du einen großen Bogen um das Grundstück. Denn eine gehisste Fahne heißt: „Der Hausherr ist daheim!“ Und den möchtest du selbstverständlich nicht stören.
Meist gibt es um die Mökkis auch keine Zäune und Freunde, zum Beispiel aus Mietoinen, haben mir erzählt, dass sie ihr Mökki im Sommer auch gar nicht abschließen, wenn sie unterwegs sind. Das wäre hier in Deutschland undenkbar.
Und was mir auch gefällt, ist die finnische Weihnachtstradition. Die Finnen bereiten schon Wochen vor dem Weihnachtsfest zahlreiche finnische Weihnachtsleckereien vor, wie Aufläufe aus Kartoffeln oder Karotten und den Joulukinkku, den berühmten Weihnachtsschinken, von denen sie dann die ganzen Feiertage über essen. Das ist einfach toll, denn so kannst du es dir über die Feiertage so richtig gut gehen lassen, ohne dass du selbst noch viel kochen musst.
Finntastic:
Gehst Du auch gerne in die Sauna?
Joachim:
Aber klar! Ich liebe die hellen Sommer im Mökki, wenn der nächste Nachbar weit entfernt ist und der See zum Abkühlen nach der Sauna oder zum Schwimmen einlädt. Da bin ich, wie es ausschaut, durch und durch finnisch *lacht*
Es ist einfach herrlich, in der Sauna zu entspannen, wenn das brennende Holz im Ofen knistert und der Duft der Vihta, also der Birkenbüschel, sich in der Sauna verteilt. Mehr brauche ich in einem Finnlandurlaub fast nicht, um glücklich zu sein! Obwohl eine Saunamakkara, also eine Saunabratwurst, darf natürlich auch nicht fehlen! *lächelt*
Finntastic:
Und hättest Du selbst auch gerne ein eigenes Mökki?
Joachim:
Früher als Zwanzigjähriger träumte ich tatsächlich von einem eigenen finnischen Sommerhäuschen. Aber seit dem ersten Besuch im Mökki bei Bekannten in Kesälahti habe ich festgestellt, wie viel Arbeit so ein eigenes Sommerhaus doch macht. Du musst im April oder Mai schon mal hinfahren und es „sommertauglich“ machen und im Grunde ist immer etwas am Haus und am dazugehörigen Garten zu tun.
Und ich möchte um ehrlich zu sein, in meinem Urlaub einfach entspannen und nicht ständig am Haus herumwerkeln. Und im Grunde ist Finnland auch so vielfältig und schön, da möchte ich gar nicht in jedem Urlaub am selben Ort sein. Es gibt einfach so viel zu entdecken!
Finntastic:
Und hast Du einen Lieblingsort in Finnland oder einen tollen Eventtipp für uns?
Joachim:
Ohja, ich bin ein großer Fan dieser Lavatanssit. Das sind überdachte Pavillons, wo im Sommer, während der hellen Sommernächte, bis in die frühen Morgenstunden Tango getanzt wird. Meist spielt eine richtige Tango-Liveband. Im Saimaa-Seengebiet in der Nähe von Puumala gibt es zum Beispiel einen echt schönen Holzpavillon, die Pistohiekan Lava.
So ein finnisches Tango-Tanzevent ist echt schön und übrigens auch ein Erlebnis, wenn du selbst nicht unbedingt das Tanzbein schwingen willst. Denn schon die Atmosphäre, die Musik und der tolle Blick auf den See ist einfach herrlich. Und die finnische Grillwurst, die es dort zu kaufen gibt, ist ebenfalls sehr zu empfehlen!
Was ich auch richtig toll finde, ist das Kaustinen Folk Music Festival, ein internationales Folklorefestival in Mittelfinnland, das immer im Sommer stattfindet und zu dem Folkbands und Folklore-Tanzgruppen aus der ganzen Welt anreisen. Das sollte ihr auf einer eurer nächsten Finnlandreisen unbedingt einmal besuchen.
Finntastic:
Du sprichst auch Finnisch, wie hast Du es gelernt? Hast Du ein paar Tipps? Und findest Du, dass die Sprache schwer zu lernen ist?
Joachim:
Am Anfang war Finnisch zu lernen wirklich nicht einfach. Aber mittlerweile kann ich es ganz gut aussprechen und wie es scheint verstehen mich die Finnen auch ganz gut. *lacht* Sonst würden sie mir sicher nicht auf Finnisch antworten. Lustig ist übrigens, dass mir oft eher die finnischen, landwirtschaftlichen Fachbegriffe einfallen, als die englischen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mittlerweile besser Schwedisch als Finnisch spreche, das ist einfach deutlich einfacher zu lernen!
Den Großteil der finnischen Sprache habe ich durch Zuhören gelernt. Mit meinen finnischen Vermietern in Neu-Anspach, Jyrki und seiner Frau Gullveig, habe ich damals viel Finnisch gesprochen. Was mir auch richtig gut geholfen hat, ist das Schauen deutscher oder englischer Filme mit finnischen Untertiteln.
Bei einem Besuch bei Freunden in Kinnula habe ich nämlich festgestellt, dass das ungemein hilft, sich die fremdklingenden Vokabeln zu merken. Lustigerweise lief bei meinen Bekannten damals der Film „Heimat“, ein Epos aus dem Hunsrück mit finnischen Untertiteln. Ich war bis dahin nicht unbedingt ein Fan solcher Filme, aber in dieser Konstellation war es wirklich richtig witzig. Denn der Film lief dort nicht in Hochdeutsch, sondern im Hunsrücker Platt und das in Kombination mit finnischen Untertiteln. Das war definitiv schräg und ich mittlerweile habe ich sogar alle Filme dieser Serie auf DVD. *lacht*
Finntastic:
Und was war Dein skurrilsten oder lustigstes Finnlanderlebnis?
Joachim:
Oh, da gibt es einige! Aber ich kann mich auf jeden Fall an ein echt witziges erinnern: Meine Frau Claudia und ich sind ja bereits oft in Finnland unterwegs gewesen. Allerdings versteht sie trotzdem nur wenig Finnisch. Eines Tages wollten wir irgendwo in einem Café Rast machen und einen Kaffee trinken und da entdeckte sie am Straßenrand ein Schild mit der Aufschrift „Kesäkukkia“. Und sie meinte zu mir: „Guck da drüben gibt es Käsekuchen“. Sie war sehr enttäuscht, als ich ihr mitteilte, dass es sich bei dem Angebot nur um Sommer-Schnittblumen handelte. *lacht*
Ansonsten kann ich mich noch an eine Situation erinnern, als ich damals als 15-Jähriger zu Besuch bei Lena und ihrer Familie in Lieto war. Ihr Vater sagte damals zu mir: „Fühl dich wie zu Hause“. Ich habe ihn beim Wort genommen und mir nach der deutschen Interpretation eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank geholt. Ich dachte mir einfach nichts dabei. Und wir sind es gewohnt, dass wenn niemand etwas sagt, es eben auch okay. Leider ist das bei den Finnen wohl anders. *lacht* Ein wenig später erzählte mir nämlich Lena, dass ihr Vater das gar nicht gut fand und sich sogar richtig über mein Benehmen geärgert hat, aber aus Höflichkeit nichts gesagt hat. Das war mir echt sehr unangenehm.
Und was auch noch ziemlich lustig ist: Bekannte von uns haben ein Haus auf einer Insel in der Nähe von Viitasaari. Und man muss im Sommer eben vom Parkplatz mit dem Ruderboot übersetzen. Als wir dort ankamen, habe ich diesen riesigen Stapel Brennholz für den Saunaofen gesehen und meinte: „Wow, da seid ihr aber oft mit dem Boot hin und hergerudert.“ Und mein Bekannter grinste mich nur breit an und meinte nur: „Nö, wir bringen das Brennholz immer im Winter mit dem Traktor und Anhänger über das zugefrorene Eis.“ Da musste ich echt über mich selbst lachen, dass ich nicht auf diese Idee gekommen war! *lacht*
Finntastic:
Und nun kommen wir noch zu Deinem Engagement für den deutsch-finnischen Kulturaustausch: Du bist Mitinitiator der hessisch-finnischen Kochevents auf der Grünen Woche 2019 und 2020.
Wie kamt ihr auf die Idee dazu? Und wie entstand der Kontakt zu Päivi von der Wirtschaftsförderung Miksei Mikkeli und dem finnischen Koch Teemu Kaijanen?
Joachim:
Seit 2000 arbeite ich als Referent im hessischen Landwirtschaftsministerium, wo ich seit einigen Jahren auch für das Agrarmarketing zuständig bin. In diesem Zusammenhang betreue ich seit rund zehn Jahren den Auftritt unseres Bundeslandes Hessen auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin. Das ist übrigens die größte Landwirtschafts- und Verbrauchermesse auf der Welt mit jährlich rund 400.000 Besuchern.
Wie ihr sicher wisst, war Finnland 2019 Partnerland der Grünen Woche und so kam ich in Kontakt mit Klaus Hartikainen vom finnischen Bauernverband MTK, der für die Projektleitung des Finnlandpavillons zuständig war. Ich schlug ihm vor, ob wir nicht gemeinsam mit den Finnen und ein paar anderen Bundesländern ein paar Aktionen starten wollen. Er vermittelte mir den Kontakt zu Päivi Karhunen von der Wirtschaftsförderung Miksei Mikkeli aus Südsavo.
Gemeinsam mit Päivi kam uns der Gedanke, Finnland als Partnerland nicht nur am Finnlandpavillon, sondern noch an weiteren Orten auf der Messe bei anderen Bundesländern und Organisationen präsent zu machen. So kamen wir schließlich auf die Idee hessisch-finnischen Kochevents am Hessenstand sowie in der Finnlandhalle zu veranstalten.
Ich habe das dann unserem TV-Koch Reiner Neidhart vorgeschlagen, der jedes Jahr am Hessenstand für uns kocht. Er fühlte er sich wohl zunächst ein wenig überrumpelt. *lacht* Aber dann fand er die Idee gut und so haben wir zwischen ihm und dem Koch Teemu Kaijanen aus Mikkeli Kontakt hergestellt.
Reiner hat Teemu dann im Vorfeld der Grünen Woche nach Karben in sein Restaurant eingeladen. Und später war auch Reiner bereits zu Gast in Mikkeli und hat dort gemeinsam mit Teemu auf dem Marktplatz gekocht. Teemu hat ihn zudem in die finnische Kultur, die Kulinarik und in die Saunatradition eingeführt. Ich glaube Reiner hat es dort richtig gut gefallen, denn er meinte vor kurzem zur mir, er sei schwer verliebt in Finnland. *lacht*
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(VIDEO: Finntastic) Joachim Diesner ist Initiator des mittlerweile etablierten hessisch-finnischen Kochevents mit Hessens Spitzenkoch Reiner Neidhart (Neidharts Küche) und dem finnischen Koch Teemu Kaijanen aus Mikkeli/Ostfinnland.
Finntastic:
Welche nächsten Projekte sind geplant? Wirst Du beim nächsten Event auch in Finnland dabei sein?
Auf der diesjährigen Grünen Woche haben wir wieder mehrere hessisch-finnische Kochevents mit Reiner und Teemu veranstaltet. Teemu hat dafür übrigens auch extra eine „ Grüne Soße“ auf Savo-Art“ kreiert und zwar mit finnischen Kräutern. Die ist wirklich lecker! Geplant war dann eigentlich ein weiterer Gegenbesuch von Reiner in Finnland im August und auch die hessischen Landfrauen wollten im August nach Finnland reisen.
Natürlich wollte ich bei beiden Reisen dabei sein. Leider können wir das aufgrund der Coronakrise nun nicht umsetzen. Doch die Kooperation wird ganz sicher fortgesetzt! Den Besuch der Landfrauen haben wir schon einmal auf August 2021 terminiert!
Und: was wir hier machen, dass ist „gelebtes“ Europa, das ist moderner Kulturaustausch im Kleinen. Denn ich finde, ein richtiger Kulturaustausch findet eben nicht auf politischer, sondern auf persönlicher Ebene statt!
Finntastic:
Das klingt toll! Ich bin schon sehr gespannt auf eure weiteren Projekte! Vielen Dank für das spannende Interview und wir sehen uns sicher auch wieder auf der nächsten Internationalen Grünen Woche in Berlin!
Joachim:
Aber klaro! Du bist natürlich wieder herzlich an den Hessenstand und natürlich zu unseren hessisch-finnischen Kochevents eingeladen!
Über Joachim Diesner
Joachims Diesners Finnlandleidenschaft begann in seiner Kindheit, als er 12 Jahre alt war. Seine Oma hatte im Rahmen des ersten Wehrheimer Folklore Festivals damals Gäste aus Finnland zu Gast. Aus dieser ersten Begegnung und einen späteren Gegenbesuch mit der Wehrheimer Landjugend in Suomi bei der finnischen Folkloretanzgruppe der Jugendorganisation „Mietoisten Nuorioseura“ in Mietoinen entstand seine Leidenschaft zum Land, zur finnischen Sprache und Kultur, die bis zum heutigen Tag anhält.
Seit 2000 arbeitet der gelernte Diplom-Verwaltungswirt als Referent im hessischen Landwirtschaftsministerium in Wiesbaden. Auch dort ergaben sich bereits zahlreiche Berührungspunkte mit seinem Lieblingsland. So organisierte er bereits in Zusammenarbeit mit Maija Kakriainen vom finnischen Zentralverband der finnischen Waldbesitzer und Produzenten Pohjois-Karjala, die er von der Bundesarbeitsgemeinschaft zum Thema „Lernort Bauernhof“ kannte, für die hessischen und finnischen Landwirte ein spannendes Seminar zum Vergleich der Sozialsysteme Finnland und Deutschland.
Hessisch-finnischer Kulturaustausch und eine finnische „Frankfurter Grie Soß“
Gemeinsam mit Päivi Karhunen von der Wirtschaftsförderung in Miksei Mikkeli kam er zudem vor einiger Zeit auf die Idee, einen kulinarischen Austausch zwischen dem deutschen TV-Koch Reiner Neidhart aus Karben (Neidharts Küche) und dem finnischen Spitzenkoch Teemu Kajanen aus Mikkeli in Ostfinnland zu initiieren.
Mittlerweile ging das geniale hessisch-finnische Kochevent, dass bereits 2019 das Publikum auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin begeisterte, bereits in die zweite Runde. Gemeinsam kochten Reiner Neidhart und Teemu Kaijanen wieder auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin 2020 am Finnlandpavillon sowie am Hessenstand und präsentierten dem begeisterten Publikum allerlei hessische und finnische Leckereien. Außerdem kreierte Teemu Kaijanen mit finnischen Kräutern eine „Frankfurter Grüne Soße“ auf Savo Art.
Ein weiterer Besuch von Reiner Neidhart sowie der hessischen Landfrauen in Mikkeli war eigentlich für den Sommer 2020 geplant. Leider hat die Coronakrise das zunächst ausgebremst. An der Kooperation wird natürlich trotzdem festgehalten. Es gibt bereits neue Ideen für einen hessisch-finnischen Austausch auf kulinarischer Ebene.
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(VIDEO: Der finnische Koch Teemu Kaijanen aus Mikkeli lüftet im Gespräch mir Arja Eisenblätter auf der Grünen Woche 2020 in Berlin das Geheimnis um die „Frankfurter Grie Soß‘ nach Savo Art“.