Auch in Finnland steht das Osterfest ganz im Zeichen des Frühlings. Ein Brauch, der sich bereits seit den 1960er-Jahren großer Beliebtheit erfreut, ist das Ostergras. Die Kinder sähen es gerne schon Wochen vor Ostern in kleinen Schälchen aus und stellen es auf den Fenstersims in die Sonne. Das saftig-grüne Gras ist ein Symbol für den nahenden Frühling. Auch Weidenkätzchen- und Birkenzweige sind beliebt und werden in schöne Vasen gestellt und mit bunten Daunenfedern und Seiden- bzw. Krepppapier verziert.
Farbenfrohe Frühlingsblumen wie Tulpen, Narzissen oder Lilien, aber auch andere bunte Schnittblumen gehören zur finnischen Osterdekoration. Auch Küken, Hasen und bunte Ostereier sind typische, finnische Ostermotive. Allerdings hat der Osterhase in Finnland nicht die Bedeutung, wie bei uns. Er wird zwar auch als Fruchtbarkeitssymbol verstanden, doch bringt er in Finnland keine bunt bemalten Ostereier. Doch dazu später mehr.
Am Palmsonntag (Finnisch: Palmusunnuntai), dem Sonntag vor Ostern, beginnt in Finnland die stille Woche. An diesem Feiertag besuchen die Finnen gerne ihre Verwandten, Freunde und Nachbarn. Als Begrüßungsritual gilt das symbolische Schlagen mit geschmückten Birkenruten und Weidenkätzchenzweigen (Finnisch: virpovitsat). Das Ritual hat seinen Ursprung in der Bibel. Die Zweige stehen im übertragenen Sinne für die Palmwedel, mit denen das Volk der Überlieferung nach damals Jesus beim Einzug nach Jerusalem begrüßte. In den nordischen Ländern ersetzte man die Palmzweige kurzerhand durch Birken- oder Weidenzweige. Die kleinen weichen, zarten Weidenkätzchen sind natürlich auch in Finnland ebenso Boten des nahenden Frühlings.
Von kleinen Osterhexen und mystischen Schutzreimen
Früher glaubten die Finnen, dass zwischen Karfreitag und Ostern die bösen Osterhexen, auch Pääsiäisnoidat oder Trullit genannt, ihr Unwesen treiben. Es waren der Legende nach wohl alte Frauen, die mit dem Teufel im Bunde standen. Sie waren in ganz Finnland sehr gefürchtet, weil man ihnen nachsagte, dass sie dem Vieh, der Ernte und auch den Menschen Schaden zufügen konnten. Daher gibt es auch in einigen Teilen Westfinnlands, am Ostersamstag, ähnlich wie bei uns in Deutschland, große Osterfeuer (Finnisch: Pääsiäiskokko), um diese „bösen Hexen“ und andere bösen Geister zu vertreiben. Gleichzeitig ist das Osterfeuer natürlich auch in Finnland eine gute Gelegenheit, lästiges Sprickzeugs und Holz loswerden, dass sich über den Winter hinweg auf dem Hof sowie auch auf dem Grundstück bzw. im Garten angesammelt hat.
Mit der Zeit wurden die bösen Osterhexen zu einem Märchenwesen umfunktioniert und zu einem Brauch der Kinder weiterentwickelt. Heute ziehen deshalb am Palmsonntag (in Westfinnland am Karsamstag) Kinder, vor allem kleine Mädchen, ähnlich wie an Halloween, als kleine Osterhexen verkleidet, mit rußverschmierten Wangen, aufgemalten Sommersprossen und Kopftuch durch die Nachbarschaft.
Virvon varvon tuoreeks terveeks…
Mit dabei haben sie mit bunten Federn und Krepppapier geschmückte Birken- und Weidenkätzchenzweige*. An jeder Türschwelle vergeben sie an den Hausbesitzer oder Bewohner wohlwollende, gutgemeinte Schutzreime, wie ”Virvon varvon tuoreeks terveeks tulevaks vuodeks, vitsa sulle palkka mulle”, um die bösen Geister zu vertreiben. Übersetzt heißt der Spruch soviel, wie: „Ich winke mit dem Zweig für ein frisches gesundes, kommendes Jahr – ein Zweig für dich, ein Entgelt für mich!“
Als Belohnung erhalten die kleinen Osterhexen bunte Ostereier und andere Süßigkeiten – aber auch Münzen als kleines Taschengeld sind üblich. Das Verstecken und Suchen von Ostereiern, wie wir es kennen, gibt es in Finnland als Osterbrauch so allerdings nicht. Deshalb hat der Osterhase in Finnland am Osterwochenende frei, denn er ist ja quasi arbeitslos. Die Osterhexe ist somit das finnische Pendant zum deutschen Osterhasen. Seit den 1980er-Jahren haben diverse finnische Unternehmen durch spezifische Werbung die Osterhexentradition und -mode kräftig vorangetrieben, so dass diese Tradition seit dieser Zeit auch in finnischen Kindergärten und Schulen zelebriert wird.
(*Bei Mahtava habe ich eine schöne Do-it-Yourself-Anleitung für einen schwedischen Osterstrauch gefunden. Er ist dem finnischen Osterstrauch sehr ähnlich, außer, dass die Finnen neben Federn auch noch buntes Krepppapier zum Verzieren nutzen)
Finnische Ostern – Bunter Mix aus heidnischen sowie religiösen Bräuchen und Traditionen
Die Finnen sind außerdem ein sehr gutes Beispiel dafür, dass es möglich ist, unterschiedliche Bräuche zu landesweit, anerkannten Traditionen miteinander zu vermischen. Denn in der finnischen Ostertradition verschmelzen, westliche und östliche, christliche sowie heidnische Bräuche. Denn der Glaube an die Trullit Hexen kommt aus Westeuropa, das Weidenrutenschlagen ist hingegen ein Brauch, der aus der russisch-orthodoxen Kirche stammt.
Diese Verschmelzung ist auch deswegen interessant, weil eigentlich rund 86 Prozent der Finnen der evangelisch-lutherischen Kirche angehören und nur ein Prozent der russisch-orthodoxen. Für die Russisch-orthodoxe Kirche ist Ostern die „Feier aller Feiern“. Bei den evangelisch-lutherischen Finnen ist besonders die Abendmesse am Gründonnerstag (Finnisch: Kiirastorstai) im Gedenken an das letzte Abendmahl das beliebteste Kirchenereignis.
In der Karwoche vor Ostern finden außerdem in vielen finnischen Kirchen Konzerte statt. In Helsinki wird am Karfreitag (Finnisch: Pitkäperjantai) das Passionsspiel „Via Crucis“ aufgeführt, dessen Prozession auf den Stufen des Tuomiokirkko, der lutherischen Kathedrale am Senatsplatz endet. Bis zu 15.000 Menschen verfolgen Jahr für Jahr diese Nachstellung des Leidens und der Kreuzigung Jesus Christus. Am Abend des Karsamstags wird dann in gut besuchten Gottesdiensten die bevorstehende Auferstehung gefeiert.
Am Ostersonntag geht es dann für die finnischen Kinder noch einmal rund: an diesem Tag dürfen sie endlich einmal so richtig laut sein! Denn in Finnland ist es Brauch, dass die Kinder mit lauten Musikinstrumenten oder anderen lauten Gegenständen durch die Straßen ziehen, um mit viel Lärm den Winter auszuläuten. Das macht sicher jede Menge Spaß!
Finnische Osterspeisen: Lammbraten, Mämmi und Co.
Das traditionelle Hauptgericht an Ostern ist in Finnland der Lammbraten. Als Nachtisch gibt es Mämmi, einen dunklen, beinahe pechschwarzen Brei, der aus Wasser, Malz und Roggenmehl zubereitet wird. Er wird in kleinen Schachteln aus Pappe gefüllt, die den früher verwendeten Schachteln aus Birkenholz nachempfunden sind und langsam im Ofen gebacken. Heutzutage wird er allerdings nur noch selten selbst gemacht. Denn man kann ihn um die Osterzeit in Finnland in allen Läden bereits fertig in kleinen Kartons kaufen. Die bekannteste Sorte ist „Kymppi-Mämmi“ oder der Mämmi der Firma Hoviruoka. Es gibt mittlerweile auch ein Bioprodukt wie den „Luomu-Mämmi“, der neu auf dem Markt ist, der sich aber geschmacklich vom traditionellen Mämmi deutlich unterscheidet.
Mämmi war früher vielfach die Speise während der Fastenzeit. Heute wird er als traditionelle Osternachspeise mit Zucker und flüssiger Sahne verzehrt. Obwohl der Brei, vielleicht besonders für einen Nicht-Finnen, optisch gesehen mega unappetitlich ausschaut, hat er besonders an Ostern in Finnland in den letzten Jahren zunehmend an Beliebtheit gewonnen. In diesem Jahr wurde sogar befürchtet, dass er ruckzuck ausverkauft ist. Pro Jahr werden übrigens in Finnland rund 1.700.000 Kilogramm Mämmi gegessen, das sind rund 300 Gramm pro Person. Hier gibt es noch ein lustiges Video über den finnischen Mämmi.
(FOTOS: Suomi Photography) Vielen Dank an an Manuel Bösch von Suomi Photography für die Mämmi-Bilder.Eine weitere bekannte Osternachspeise ist der Pascha (auch Passcha oder Paskha genannt): Ein sahnefarbener Pudding, der aus gesüßtem, hausgemachten Quark, Eiern, Sahne und Gewürzen hergestellt wird. Ihn haben die Finnen vermutlich aus der russischen Küche adaptiert. Denn Pascha ist eigentlich das russische Wort für Ostern. Der Sahne-Pudding muss über Nacht stehen, damit er schön fest wird und darf frühstens mit Beginn des Ostersonntags gegessen werden. Denn da endet in Finnland die Fastenzeit. In Ostfinnland, dem russisch-orthodox, geprägten Teil Finnlands, wird er nach altem Brauch in eine pyramiden- oder kegelartige Form gepresst und mit religiösen Motiven, wie den Buchstaben XB, verziert. Sie stehen für „Christos Woskres“, was so viel bedeutet, wie „Christus ist auferstanden“. Meine Bloggerkollegin Michaela Fuchs von Mahtava – Taste the North hält auf ihrem Blog übrigens ein tolles Pascha-Rezept für Euch bereit. Also schaut mal vorbei.
Eine weitere finnische Osterspezialität sind Mignoneier. Hierbei handelt es sich um mit Nougatschokolade gefüllte, echte Eierschalen. Sie sind eine Erfindung des Zuckerbäckers Karl Fazer aus dem Jahre 1896 und sind nach Pihlaja (1895), so genannten Marmeladenbonbons (die im Finnischen auch kettukarkki genannt werden, weil die Verpackung ein Fuchslogo ziert) das zweitälteste Produkte des finnischen Schokoladenherstellers. An Ostern werden Mignoneier überall verkauft, es gibt sie einzeln oder in 6er-Packungen. Das Bemalen von bunten Ostereiern, wir wir es in Deutschland vom Osterfest kennen, ist in Finnland hingegen nicht so stark verbreitet.
Es ist doch immer wieder spannend, wie unterschiedlich Ostertraditionen sein können. In diesem Sinne wünsche ich euch allen schöne Osterfeiertage oder wie der Finne zu sagen pflegt „Hyvää pääsiäista“!
Inken von Finntastic