Lacrimosa – Stimmungsvolle Lieder mit einem Hauch (finnischer) Melancholie

(FOTO: schokopixel.de) Tilo Wolff und Anne Nurmi von Lacrimosa können mittlerweile auf eine über 30-jährige Bandgeschichte zurückblicken. Ihre Musik passt in kein Genre, denn die beiden kombinieren gerne verschiedene Musikstile miteinander.
(FOTO: schokopixel.de) Tilo Wolff und Anne Nurmi von Lacrimosa können mittlerweile auf eine über 30-jährige Bandgeschichte zurückblicken. Ihre Musik passt in kein Genre, denn die beiden kombinieren gerne verschiedene Musikstile miteinander.

Während einer Konzerttour im Jahr 1993, bei dem Annes damalige Band „Two Witches“ als Vorband von Lacrimosa fungierte, lernten sich der Wahlschweizer Tilo Wolff und die Finnin Anne Nurmi kennen. Eine schicksalshafte Begegnung: Denn die beiden stellten fest, dass sie viele Gemeinsamkeiten haben, vor allem auch musikalisch. Seit 1994 touren Tilo und Anne gemeinsam als Lacrimosa rund um den Globus. Mittlerweile leben sie zusammen in der Schweiz, nehmen ihre Songs im eigenen Tonstudio auf und sind mit Lacrimosa weltweit enorm erfolgreich. Warum sie ihre Musik ungerne in ein Genre packen und es ausgerechnet in Annes Heimat Finnland bislang noch nicht mit dem großen Durchbruch geklappt hat, verraten uns die beiden Musiker im Interview.

Lacrimosa: Seit über 30 Jahren weltweit erfolgreich – Interview mit Tilo Wolff und Anne Nurmi

Finntastic:
Mokka ja hei! Schön, dass ihr euch Zeit für ein Interview nehmt. Tilo, Du hast die Band damals 1990 als Ein-Mann-Projekt gegründet. Wolltest Du schon immer Musiker werden? Und hast Du damals erwartet, dass Du mal so berühmt wirst?

Tilo Wolff:
Weder noch. Im Rampenlicht wollte ich nie stehen, daher war mein Traum immer, hinter der Kamera Filme zu drehen, als Regisseur oder als Drehbuchautor. Als ich über eine Freundin jemanden kennenlernte, der ein Studio besaß, überlegte ich mir mit ihr, dort einmal etwas aufzunehmen. Diese ursprüngliche Idee verkomplizierte sich dann aber leider schon im Ansatz, weshalb ich beschloss, lieber allein etwas zu machen. Also buchte ich ohne die Bekannte des Studioinhabers ein Wochenende in besagtem Studio, leider zum vollen Preis. Doch nach diesem Wochenende war ich infiziert und der weitere Weg gelegt. Dass daraus allerdings eine weltweit gehörte Band werden würde, die nach über dreißig Jahren immer noch aktiv ist, hätte ich natürlich nicht zu träumen gewagt!

Finntastic:
Anne Du gehörst seit 1994 zur Band. Wie ich gelesen habe, hat es damals nicht nur musikalisch, sondern auch privat zwischen euch gefunkt. Wie habt ihr euch kennengelernt?

Anne Nurmi:
Kennengelernt haben wir uns 1993 auf Tour, als meine damalige finnische Band „Two Witches“ Lacrimosa als Support Band auf einigen Konzerte in Europa begleitete. Wenn man mehrere Tage mit einer anderen Band durch die Städte und Länder zieht, lernt man sich automatisch etwas kennen und Tilo und ich merkten schnell, dass wir die gleichen musikalischen Wurzeln haben und auch das gleiche in unserer Musik ausdrücken wollen. Und weil er auf der Suche nach einer Sängerin war, und wir schnell merkten, dass unsere Stimmen toll miteinander harmonierten, lud er mich ein, bei seinen nächsten Aufnahmen mitzumachen. Tilo hatte zu der Zeit auch gerade den legendären Song „Schakal“ für das Album „Inferno“ geschrieben, das war dann mein Einstand bei Lacrimosa.

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(VIDEO: Hall of Sermon/Lacrimosa)  Mit dem Song „Schakal“ vom Album „Inferno“ begann die  gemeinsame Erfolgsgeschichte von Tilo und Anne als Lacrimosa. 

Finntastic:
Ihr lebt mittlerweile zusammen in der Schweiz. Aber Anne, Du kommt eigentlich gebürtig aus Tampere. Wie ist das so für Dich als Finnin in der Schweiz?

Anne Nurmi:
Die vielen Berge in der Schweiz sind für mich am Anfang eine Herausforderung gewesen, allerdings bin ich ja nicht immer in der Schweiz und es ist ganz großartig, die beiden Länder mit ihren kulturellen Unterschieden immer wieder erleben zu können. Wir Finnen sind ja eher ein verschlossenes Volk, während die Schweizer vordergründig offen wirken. Wenn man die Menschen aber näher kennenlernt, öffnen wir Finnen unsere Herzen, die Schweizer bleiben aber immer ein Stück reservierter. Aber dafür gibt es in der Schweiz leckeres Käsefondue! (lacht)

Finntastic:
Ihr experimentiert gerne mit verschiedenen Musikstilen und Elementen. Zum Beispiel bekamt ihr für euer Album „Stille“ aus dem Jahr 1997 Unterstützung durch das Barmbeker Symphonieorchester. Wie würdet ihr eure Musik klassifizieren?

Tilo Wolff:
Ein bisschen spezieller war, würde ich sagen, später die Arbeit mit dem London Symphony Orchestra oder dem Deutschen Filmorchester Babelsberg. Aber genau darum geht es. Die Idee war schon immer, die Musik zu machen, die wir in uns, aber nicht im Radio oder auf Platten anderer Bands hören. Man könnte also sagen, das Ganze ist ein ziemlich egoistisches Projekt, denn wir machen einfach die Musik, die uns gefällt, egal, ob das jetzt Gothic, Metal, Pop, Folk oder was auch immer ist.

Finntastic:
Worum geht es in euren Liedern? Sind in eurem Song-Repertoire auch Songs in finnischer Sprache?

Tilo Wolff:
Im Gros geht es inhaltlich auf poetische Art und Weise um persönliche Erfahrungen, Erlebnisse, Gefühle und Fantasien. Und ja, es gibt finnische Elemente und, wie im erwähnten „Schakal“ finnische Passagen, aber der rein finnische Song ist noch nicht passiert.

Anne Nurmi:
Ich schreibe meine Texte gewohnheitsbedingt in Englisch. Das hat sich bis heute eigentlich nicht geändert.

Finntastic:
Viele eurer Songs sind eine Kombination aus poetischen Texte und schwermütigen oder besser gesagt melancholischen Melodien. Würdet ihr sagen, dass sich die Melancholie in den Songs unterscheidet, je nachdem wer von euch beiden den Song geschrieben hat?

Tilo Wolff:
Ich würde sagen, es kommt eher auf den inhaltlichen Kontext an, denn die musikalische Umsetzung ist bei uns meist der Soundtrack zur erzählten Geschichte. Aber grundsätzlich mag es tatsächlich so sein, dass Annes Geschichten etwas heller sind, obwohl sie aus dem dunkleren Norden kommt.

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(VIDEO: Hall of Sermon/Lacrimosa) Lacrimosa sind bekannt für ihre lyrischen Texte, melancholischen Melodien und die Kombination von verschiedenen Musikstilen, wie Metal, Rock und Orchestermusik. 

Finntastic:
Was war das merkwürdigste Kompliment, was ihr zu eurer Musik bekommen habt?

Tilo Wolff:
Komplimenten gehen bei mir oftmals links rein und rechts raus. Über Lacrimosa wurde schon so unendlich viel gesagt und geschrieben, wenn wir uns das alles verinnerlichen würden, bräuchten wir entweder Therapie oder wären größenwahnsinnig geworden. (lacht) Aber lustig ist zum Beispiel, dass Lacrimosa in Mitteleuropa als Wave oder Gothic Rock bezeichnet wird, während wir im Rest der Welt als Metal Band gehandelt werden.   

Finntastic:
Euer Album Testimonium aus dem Jahr 2017 ist ein Konzeptalbum und verschiedenen bereits verstorbenen Musikern wie David Bowie, Prince oder Leonard Cohen gewidmet. Wie entstand die Idee dazu?

Tilo Wolff:
Wir sind beide große Fans von David Bowie und als er verstarb, hatte ich diesen Satz „Wenn unsere Helden sterben“ im Kopf. Wenn du mit einer Band oder einem Künstler aufgewachsen bist und du in einigermaßen regelmäßigen Abständen immer wieder neue Musik von dieser Quelle bekommst, und auf einmal ist diese Quelle trocken – der Mensch lebt nicht mehr und nichts wird ihn je ersetzen können – dies war ein, direkt die Musik betreffende, weltveränderndes Ereignis. Und in diesem Sinne auch entsprechend inspirierend. Und so hat eins zum anderen geführt und plötzlich war das Album fertig.   

Finntastic:
Lord of the Lost haben 2021 euren Song „Bresso“ gecovert Wie findet ihr das, wenn andere Musiker und Bands eure Songs covern?

Tilo Wolff:
Großartig! Wir sind ja selbst große Musikfans und lassen uns durch andere Künstler und Komponisten inspirieren. Wenn dann eine so tolle Band wie Lord Of The Lost sich von unserer Musik inspirieren lässt, ist das eine wirklich schöne Sache! Zudem haben sie die Nummer nicht einfach nachgespielt, sondern an ihren Stil angepasst, und das ist super!

Finntastic:
Ihr seid bereits durch die ganze Welt getourt. Was war die skurrilste oder beeindruckendste Konzertlocation in der ihr jemals gespielt habt?

Tilo Wolff:
In San Louis Potosi in Mexiko haben wir einmal auf einer Insel in einem See gespielt und das Publikum war am Ufer aufgereiht. Und in Quito in Ecuador haben wir tatsächlich einmal während eines Militärputsches ein Konzert gegeben. Alle Versammlungen und auch Konzerte wurden kurzfristig verboten, mit Ausnahme von Veranstaltungen der Universitäten. Also mietete der clevere Veranstalter kurzerhand den gesamten Parkplatz des Campus, lies eine Bühne aufbauen und wir konnten das Konzert mitten in der Revolution spielen.

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(VIDEO: Hall of Sermon/Lacrimosa) Das Album „Testimonium“ ist eine Ode an Berühmtheiten wie David Bowie, Prince und Leonard Cohen.

Finntastic:
Wie bekannt seid ihr eigentlich in Annes Heimatland Finnland? Habt ihr schon auf bekannten finnischen Festivals gespielt?

Anne Nurmi:
Man kennt uns schon ein bisschen in Finnland, aber die deutsche Sprache ist dort eher ein Hinderungsgrund, da wir Finnen keinen Bezug zur deutschen Sprache haben, und sie wohl auch einfach nicht so mögen. Vielleicht weil sie ähnlich hart wie die eigene Sprache ist und dann lernt man hier einfach erst einmal Englisch und Schwedisch.  

Finntastic:
Tilo, im Interview mit dem Sonic Seducer habe ich bei Dir ein wenig hessischen Dialekt entdeckt. Du stammst ja ursprünglich aus dem Rhein-Main Gebiet, besser gesagt aus Frankfurt. Sprichst Du denn auch Finnisch?

Tilo Wolff:
Leider nein, dafür hat mir bisher die Zeit und auch die Motivation gefehlt, denn in Finnland haben wir bislang – trotz finnischer Sängerin – leider noch keine Konzerte gehabt.

Finntastic:
Auf eurer Website stellt ihr auch Fanart eurer Fans vor. Gibt es eine Fangeschenk, das euch besonders in Erinnerung geblieben ist? Oder das euch besonders berührt hat?

Tilo Wolff:
Da gibt es wirklich viele. Von tollem Schmuck, über tolle Weine und Parfums, selbstgenähte Korsagen für Anne oder selbstgebastelte Lacrimosa-Puppen. Aber das wohl beeindruckendste Geschenk ist eine handgeschnitzte, kunstvoll bemalte Holzkiste, zu deren Schlössern ich während verschiedener Anlässe die Schlüssel erhielt, und die eine elektrisch betriebene Kristallkugel mit Lacrimosa Logo enthält. Wenn man sie öffnet, leuchtet sie und spielt Lacrimosa. Ziemlich genial! 

Finntastic:
Wo können wir euch in der nächsten Zeit live on Stage erleben? Wird man euch auch mal auf einem finnischen Festival zu hören bekommen?

Tilo Wolff:
Derzeit sind wir in Produktion am neuen Album und wenn wir damit ein bisschen weiter sind, freuen wir uns, die nächsten Konzerte zu planen. Ob dieses Mal Finnland dabei sein wird, wage ich allerdings eher zu bezweifeln, aber es würde uns natürlich freuen auch mal in Annes Heimat Finnland zu spielen.

Finntastic:
Kiitos haastattelusta! Danke für das nette Interview!

Anne Nurmi:
Moikka ja kiitos samoin.

Tilo Wolff:
Ich schließe mich Annes Worten an.


Über die Band Lacrimosa

Lacrimosa - Thilo Wolff und Anne Nurmi
(FOTO: schokopixel.de) Tilo Wolff (links) und Anne Nurmi lernten sich 1993 auf einer Konzerttournee kennen. Seitdem sind die beiden unzertrennlich und begeistern rund um den Globus das Publikum mit ihrer Musik.

Lacrimosa ist ein Musikprojekt, das der Wahlschweizer Tilo Wolff im Jahr 1990 zunächst als Ein-Mann-Band gründete. Der Name ist eine Anlehnung an das Lacrimosa in Mozarts unvollendetem Requiem in d-moll und bedeutet übersetzt aus dem Lateinischen so viel wie „Fließende Träne“. Das Bandlogo von Lacrimosa ist ein Harlekin, der alle bisher veröffentlichten Studioalben ziert. Da Tilo bereits damals so wenig wie möglich aus der Hand geben wollte, gründete er gleich zu Beginn sein eigenes Plattenlabel „Hall of Sermon“ und nahm sein erstes Album „Angst“ auf. 1993 trat er erstmals in Leipzig auf dem Wave Gothik Treffen auf. Durch den Song „Alles Lüge“ (1993) wurde er mit seiner Musik schließlich international bekannt. 

1993 lernten sich Tilo Woff und die Finnin Anne Nurmi während einer gemeinsamen Konzerttour zum Lacrimosa Album „Satura“ kennen, bei dem Annes damalige Band „Two Witches“ als Vorband fungierte. Tilo war sofort von Annes Stimme begeistert und so fragte er sie, ob sie nicht Teil seiner Band Lacrimosa werde wolle. Anne stimmte zu und seitdem touren die beiden gemeinsam als Lacrimosa erfolgreich mit ihrer Musik rund um den Globus. Ein paar Jahre später im Jahr 1998 gab es eine große Konzerttournee durch Mexico. Es folgten weitere Konzertreisen durch Süd- und Mittelamerika, Russland  und China. Auch in Europa und hier vor allem in den deutschsprachigen Ländern sind die beiden regelmäßig auf zahlreichen kleinen und großen Festivals zugegen.

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(VIDEO: Hall of Sermon/Lacrimosa) Der Song „Daughter of Coldness“ vom 15. Studioalbum „Leidenschaft Part 2“ (2022).

Musik, die in kein Genre passt

Die Musik von Lacrimosa ist eine Mischung aus lyrischen Texten in meist deutscher Sprache kombiniert mit Gothic Rock, Metal, Orchestermusik und einem Hauch (finnischer) Melancholie. Doch eigentlich wollen die beiden ihre Musik  ungerne in ein Genre einordnen, da sie gerne mit verschiedenen Musikstilen experimentieren. Herausgekommen sind mittlerweile 15. ganz unterschiedliche Studioalben, diverse Kompilationen und Live-Alben. Das aktuellste Album trägt den Titel „Leidenschaft Part 2“ (2022) und ist der Nachfolger des Vorgängeralbums „Leidenschaft“ aus dem Jahr 2021.

Anlässlich ihres 30-jährigen Band-Jubiläums brachten Lacrimosa 2019 eine Kompilation mit dem Titel „Zeitreise“ auf den Markt, mit dem sie auch auf Tour gingen. Ein Jahr später folgte „Die Jubiläumsbox 1990-2020 mit einer musikalischen Zusammenfassung aus 30-Jahren Bandgeschichte auf drei CDs. Das Album „Testimonium“ (2017) ist eine Ode an viele verstorbene Künstler im Jahr 2016, wie David Bowie, Prince und Leonard Cohen. Ein neues Studioalbum ist auch schon in Planung, mit dem die beiden auch wieder international auf Tour kommen wollen.

Mehr Informationen sowie aktuelle Konzerttermine der Band findet ihr unter www.lacrimosa.com. Auf YouTube könnt ihr zudem in die Musik von Lacrimosa reinhören.

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