Kristin Recke moderiert seit 2014 den NDR-Ostseereport und hat für die Sendung bereits ganz Finnland bereist. Was sie so alles während des Drehs für die Sendung in Finnland erlebt hat, welche interessanten Personen sie im Land der tausend Seen kennenglernt hat, was sie an der finnischen Kultur schätzt und ob sie bereits in einer finnischen Sauna war, erfahrt ihr im zweiten Teil des spannenden Interviews mit der sympathischen NDR-Fernsehmoderatorin.
Finntastic:
Sicher hast Du bereits mitbekommen, die Finnen sind ein echt skurriles Volk. Ist Dir in dieser Hinsicht ein Erlebnis von Deinen Drehs in Finnland in Erinnerung geblieben?
Kristin:
Ja klar! Beim Dreh zum Rentierrennen in Rovaniemi dachte ich zum Beispiel: „Wow, das Gebrabbel im Hintergrund ist da wirklich so laut!“ Sonst habe ich diese Hintergrundgeräusche immer nur in den Beiträgen von unserem Kollegen Heiner Böck miterlebt, der in Varkaus lebt und für uns ganz viel aus Finnland von solchen Events berichtet. Wir standen da an der Rennbahn und der Moderator hat ungelogen vom Beginn der Veranstaltung bis zum Ende ununterbrochen geredet und das in einem Tempo und in einer Intensität, wo wir uns mangels vorhandener Finnischkenntnisse irgendwann gefragt haben: „Was erzählt der Mensch da alles bloß und gibt es dafür vielleicht einen Ausstellknopf…?“ *lacht* Zwischendurch dachten wir dann, jetzt ist Pause und wir könnten schnell unsere Moderation drehen. Doch dann ging das Ganze einfach auf Englisch weiter. Das war schon echt lustig!
Finntastic:
Und hast Du auf Deinen Reisen durch Finnland bereits Bekanntschaft mit echt skurrilen Finnen gemacht?
Kristin:
Schräge Finnen habe ich tatsächlich beim Dreh in Kuopio auf dem Marktplatz getroffen. Die haben dort auf dem Platz ein Boot hingebaut. Unten drunter ist ein Parkhaus und ein Teil des Parkhauses ist ein riesiger Fischtank. Du kannst dich dort hinsetzen, Deine Angel auspacken und dir Deinen Fisch selbst aus dem Bassin fischen. Deinen Fang kannst du dir anschließend am Stand nebenan frisch zubereiten lassen. Und dann habe ich am gleichen Tag noch Anssi Laitinen getroffen, der den Weltmeistertitel im Dauerakkordeonspielen innehat. Die Skandinavier und damit auch die Finnen sind eben alle echt schräg drauf. Ich glaube, die müssen sich einfach immer etwas Lustiges einfallen lassen, wie zum Beispiel auch diese schrägen Eisschwimmwettbewerbe im Winter.
Finntastic:
Und wie würdest Du die finnische Mentalität beschreiben, außer, dass die Finne ziemlich schräg sind und viel Humor haben?
Kristin:
Tatsächlich bin ich selbst noch nie bei einer dieser skurrilen Veranstaltung live dabei gewesen. Aber ich habe natürlich bereits viele finnische Filme gesehen, die echt verrückt waren. Die Finnen haben einen echt schrägen Humor. Ansonsten habe ich die Menschen in Skandinavien und auch in Finnland als sehr herzlich, gastfreundlich und vor allem als extrem hilfsbereit erlebt. Es ist einfach toll, wie die Menschen dort zusammenhalten und sich gegenseitig aus der Patsche helfen. In Punkaharju haben uns ein paar hilfsbereite Finnen zum Beispiel problemlos und fix ein Ersatzteil für unsere Drohne mitten in die Einöde organsiert, damit wir weiterdrehen konnten. Innerhalb von 24h! Versuch das mal in Deutschland!
Die Finnen sind wie alle Nordlichter außerdem sehr zufrieden mit ihrem Leben, mit den Dingen die sie tun – ob das der Holzflößer vom Saimaa-See ist, der Rentierzüchter in Lappland oder die Frau von der Bäckerei auf Åland. Auch Reichtum spielt in den nordischen Ländern nicht so eine große Rolle, zumindest nicht an den Orten, wo wir waren. Viele glauben, dass du dein Glück grundsätzlich selbst in der Hand hast. Beeindruckt hat mich auch die Naturverbundenheit der Finnen, ihr Wissen darüber und das es ihnen wichtig ist, diese zu erhalten. Ich glaube, viele Finnen sind sehr umweltbewusst.
Finntastic:
Konntest Du Unterschiede zwischen der Mentalität auf Åland und dem restlichen Finnland wahrnehmen?
Kristin:
Ohja, auf den Åland Inseln ticken die Uhren tatsächlich etwas anders als im Rest von Finnland. Dort richtet sich alles nach dem Zeitplan der Fähre. Viele haben gar keine Uhr. Die Leute, zum Beispiel der Schafszüchter oder die beiden von der Bäckerei, die wir interviewt haben, leben ihr Leben angepasst an ihre Profession und sie sind glücklich damit. Und das obwohl sie, wie Susanna und Caspar von der Bäckerei Skärgårdsbrod, früher Banker waren, in Helsinki und Paris gelebt haben und Luxus gewöhnt waren.
Am Anfang sind sie auf der Insel Taxi gefahren, weil sie unbedingt auf der Insel bleiben wollten. Sie meinten zu mir: Das Schwierigste war, zu begreifen, dass Du nicht alles einfach sofort auf Knopfdruck haben kannst. Du kannst zum Beispiel nicht mal eben schnell zum Dönerimbiss um die Ecke gehen. So werden Dinge, die man sein ganzes Leben als selbstverständlich hingenommen hat, plötzlich zu etwas Besonderem. Diese Wertschätzung für das Leben, für ihre Profession, für persönliche Dinge und für Werte, ist einfach toll!
Auf Åland gibt es auch keine Reizüberflutung, wie auf dem Festland oder in der Großstadt. So ein bescheidenes Leben in so einer abgeschiedenen Inselwelt erdet viel mehr. Dadurch ändert sich auch Dein Konsumverhalten, auf Åland gibt es daher zum Beispiel keinen so starken Trend zur Wegwerfgesellschaft. Zum Beispiel gab es auf unserer Reise täglich auch nur ein überschaubares Menu. Entweder mochtest Du es, oder Du hast eben Pech gehabt. Diese Bodenständigkeit und diese völlige Harmonie mit der Umgebung und der Natur, die hat mich sehr inspiriert.
Finntastic:
Und welches war dein kulinarischstes Finnlanderlebnis?
Kristin:
Da fällt mir sofort das gefüllte Brot aus Kuopio ein: Kalakukko. Das war tatsächlich meine erste kulinarische Finnlandbegegnung. Es wird mit kleinen Maränen, die mit Speck umwickelt werden, gefüllt und langsam im Ofen gebacken. Es wurde früher vor allem auf Reisen mitgenommen, weil es sich lange hielt und noch dazu recht kalorienreich war. Ich habe es damals mit der ortsansässigen Traditionsbäckerei selbst gemacht. Deshalb ist es immer das erste, was mir einfällt, wenn ich an Finnland denke. Und ich erinnere mich an ein wirklich tolles Pilzdinner, dass der Koch Mikko Lahtinen vom Hotel in Punkaharju aus den Pilzen gemacht hat, die wir zuvor im Wald gesammelt haben. Das hat einfach himmlisch geschmeckt.
Finntastic:
Warst Du denn auch schon einmal in einer finnischen Sauna?
Kristin:
Ich bin großer Saunafan, habs aber in Finnland tatsächlich bisher nur einmal geschafft und zwar während unseres Drehs auf den Ålandinseln. Wir hatten das Hotel auf Kökar zu der Zeit ganz für uns alleine. In meinem Appartement gab es eine kleine Sauna. An einem Abend habe ich sie tatsächlich einmal ausprobiert.
Meistens mache ich sowas auf Drehs allerdings eher nicht, weil ich nach einem langen Drehtag einfach viel zu kaputt für die Sauna bin und meist einfach tot müde ins Bett falle. Außerdem muss ich meinen Kopf für den nächsten Drehtag fit haben. Wir sind ja immer eine ganze Woche unterwegs, mit fünf Produktionstagen hintereinander. So ein Saunagang hat für mich dann keinen Erholungscharakter, wenn ich währenddessen bereits den nächsten Drehtag im Kopf habe.
Finntastic:
Du warst in Rovaniemi nicht nur beim Rentierrennen, sondern hast auch die Rentiere beim Weihnachtsmann besucht und bist dort in den Genuss einer tollen Schlittentour durch die verschneite Winterlandschaft Lapplands gekommen. Das war sicher ein Erlebnis!
Kristin:
Natürlich haben wir auch den Weihnachtsmann in Rovaniemi besucht, die Weihnachtsstadt am Polarkreis. Das gehört bei einer Reise nach Finnisch-Lappland auf jeden Fall dazu. Aber nach rund einer Stunde vor Ort haben wir dann bereits die erste Krise gekriegt, weil die dort wirklich den ganzen Tag über Weihnachtsmusik spielen, auch im März! Bei den Rentieren war ich um ehrlich zu sein zunächst skeptisch, ob die Tiere auch wirklich artgerecht gehalten werden und nicht unter der Touristenbespaßung leiden. Ich bin ein Pferdemädchen, da macht man sich automatisch Gedanken umso Dinge…
Angeblich werden sie aber regelmäßig ausgetauscht, so dass sie nicht den ganzen Tag dort im Einsatz sein müssen. Das habe ich sogar selbst gesehen. Von Anne-Mari Kovaleinen, die in Lampsijärvi Rentiere züchtet, Rentiertouren und -schlittenfahrten anbietet, habe ich dann gelernt, dass die meisten Rentiere in Lappland das ganze Jahr über halbwild leben. Du kannst sie nie so domestizieren, wie Pferde. Es dauert rund drei bis vier Jahre, bis man sie an Halfter oder ein Geschirr gewöhnt hat. Das erfordert viel Geduld und Arbeit.
Die Fahrt mit dem Rentierschlitten war dann aber wirklich beeindruckend und ganz schön schnell! Wenn man bedenkt, dass die Tiere bei den Rentierrennen fast 50 Stundenkilometer schnell werden können. Ich hatte ganz schön Respekt, vor allem als das Rentier losgesprintet ist und Anne-Mari meinte, dass jetzt gleich die Strecke mit den Kurven käme. Fast wäre das Rentier mit dem Schlitten sogar unserem Kameramann über die Füße gefahren, als der für die Filmsequenz auf uns zugelaufen kam. Aber zum Glück ist alles gut gegangen! Manchmal kann ein Dreh eben auch ganz schön gefährlich sein! Aber die Fahrt an sich hat wirklich Spaß gemacht, wir haben so gelacht.
Finntastic:
Und hast Du beim Dreh in Rovaniemi auch das Nordlicht gesehen?
Kristin:
Das Nordlicht haben wir im März in Rovaniemi leider um genau einen Tag verpasst. Es gab einfach zu viele Wolken in der Zeit, wo wir dort waren. Teilweise sah es eher so aus, als hätte jemand hinter den Wolken eine Lampe angemacht. Aber vor drei Jahren habe ich das Himmelschauspiel bereits einmal gesehen und zwar in Abisko, an der schwedisch-norwegischen Grenze.
Es war minus 30 Grad kalt und wir sind mit einem Fotografen und einer Kameraausrüstung durch die Winterlandschaft gestiefelt. Es war größtenteils klarer Himmel und da habe ich das Nordlicht zum ersten Mal gesehen. Das live zu erleben, war wirklich atemberaubend! Deshalb war ich auch nicht so traurig, dass es bei unserem Dreh in Rovaniemi nicht geklappt hat.
Finntastic:
Und wann können wir Dich als nächstes im Fernsehen erleben? Wird es denn bald einen neuen Ostseereport über Finnland geben?
Kristin:
Mit Sicherheit. Ich weiß noch nicht, ob es in diesem Jahr klappt, aber Oulu als Universitäts- und Fahrradstadt würde mich sehr interessieren. Die Stadt ist ja auch ein wenig jünger, vor allem durch die Universität. Und auch in einem der Nationalparks, zum Beispiel an der russischen Grenze, zu drehen, wäre sehr spannend. In Helsinki selbst, bin ich tatsächlich immer nur durchgefahren oder war dort am Flughafen.
Aber über die Perle der Ostsee hat mein Kollege Udo Biss erst vor kurzem den wirklich spannenden Ostseereport „Helsinki – die unterirdische Stadt“ gedreht. Unser nächster Ostseereport läuft übrigens am 28. April ab 18 Uhr im NDR. Diesmal geht es allerdings nicht nach Finnland sondern u.a. nach Polen, an die polnische Küste. Es geht um Neubauten, viel Natur und Nestgeflüster. Lasst euch überraschen!
Finntastic:
Und hast Du zum Abschluss noch einen Finnland-Tipp für uns?
Kristin:
Besucht unbedingt einmal den alten Leuchtturm Bengtskär, 25 Kilometer südwestlich von Hanko. Ihr könnt dort auch übernachten, allerdings müsst ihr das rechtzeitig vorher anmelden. Es ist allerdings nicht so einfach dort hinzukommen. Das geht nur, wenn das Wetter mitspielt, denn bei zu hohem Wellengang kannst du dort nicht mit dem Boot anlegen. Für mich war das damals, bei meinem ersten Finnlanddreh ein echtes ein Wow-Erlebnis: Morgens um vier schien die Sonne in mein Fenster! Dieses Licht, dieser Blick aufs Meer und der weite Horizont, einfach unbeschreiblich schön! Toll fand ich auch die besondere Gastfreundschaft von Paula.
Sehenswert ist auch die Festungsinsel Örö in Südwestfinnland, ein ehemaliges Militärsperrgebiet, das damals das erste Jahr für die Öffentlichkeit freigegeben war. Heute gehört es zum Nationalpark Archipelago und ist ein wahres Naturparadies! Die Insel würde ich mir zu gerne einmal ganz in Ruhe ansehen. Und wenn ihr euch für Architektur interessiert, dann besucht unbedingt die Stadt Hanko mit ihren alten Holzhäusern und Villen aus der Zarenzeit. Ansonsten schaut euch das Kloster Uusi Valamo an! Das ist tatsächlich das einzige orthodoxe Männerkloster Finnlands. Die Mönche sind sehr offen und gastfreundlich. Touristen gehören zu ihrem Alltag. Sie bauen Wein an und stellen einen eigenen Whisky her.
Ansonsten hat mich wie gesagt vor allem die Gegend um Punkaharju mit ihrer atemberaubenden Wald- und Seenlandschaft total begeistert. Das schlendern durch den Wald, die Stille, das Sammeln von Pilzen und das Paddeln auf dem See, das möchte ich unbedingt nochmal privat machen. Das war einfach ideal zum runterkommen. Ich bin nämlich eigentlich überhaupt kein Großstadttyp. Ich bin viel lieber draußen in der Natur. Deshalb finde ich auch so ein Aussteigerleben in einer einsamen Hütte mitten im Wald in Finnland oder eben auf den Ålandinseln sehr reizvoll und das übrigens Sommer wie Winter…*lacht*
Finntastic:
Das kann ich gut verstehen. Einmal für ein längere „Auszeit“ nach Finnland weit ab von jeglicher Zivilisation, das würde mich auch reizen. Danke für das tolle Interview Kristin! Ich freue mich schon, auf den nächsten Ostseereport aus Polen und auch aus Finnland.
Kristin:
Dir auch vielen Dank! Und viel Spaß weiterhin mit Deinem schönen Finnland-Blog!
Hier geht es zum Interview Teil I:
NDR Osteseereport – Blick hinter die Kulissen mit Moderatorin Kristin Recke
Über NDR-Ostseereport-Moderatorin Kristin Recke
Kristin Recke stammt gebürtig aus Taucha, in der Nähe von Leipzig. Heute ist Kiel ihre Wahlheimat. Ihre journalistische Karriere startete sie bereits während der Schulzeit als freie Mitarbeiterin bei der Mitteldeutschen Zeitung in Hohenmölsen. Mit 19 Jahren entdeckte sie ihre Leidenschaft fürs Fernsehen. Nach dem Abitur (1997) studierte sie Germanistik und Anglistik in Halle und absolvierte parallel diverse TV-Praktika, zum Beispiel bei Pro7 (Sendungen: Sam und Taff) sowie bei Bild Halle. Es folgte eine TV-Ausbildung als Redakteurin und Moderatorin bei RTL Nord Kiel.
Weitere Medienerfahrung sammelte Recke beim Welle Süd Fernsehen Weißenfels (Stadt TV Weißenfels). Vor der Kamera stand sie zudem bereits für die MDR Sendung „Lust auf Norden“, sowie für zahlreiche Sendungen im Privatfernsehen, wie „Der große Warencheck“ (Sat1) oder „Goodbye Deutschland“ (VOX). Seit 2014 ist sie neben Udo Biss das Gesicht der NDR-Sendung „Ostseereport“, für dessen Reportagen sie bereits in ganz Finnland, im gesamten Baltikum und auch in Sankt Petersburg in Russland unterwegs war. Mehr über die Journalistin und Moderatorin auch unter www.recke.tv oder auf Facebook.